Nachdem ich meinen Blogbeitrag „Na, heute schon amazon gebasht?“am Donnerstag veröffentlichte, kündigten – wie ich erwartete hatte – auch deutsche Autoren an, sich mit den amerikanischen zu solidarisieren. Der Buchreport hat meinen Beitrag freundlicherweise am Freitag geteilt. Dort hatte ich dann einen kleinen Kommentar PingPong mit dem Autor Karl Olsberg. Daraufhin habe ich dann noch mal die Veröffentlichung der deutschen Autoren gesucht, gefunden und gelesen. Auf der hierfür eigens angelegten Seite wird offenbar keinerlei Wert gelegt, Kommentare zuzulassen und damit die Diskussion zu bündeln. Schade, eigentlich.
Auch nach dem Lesen des deutschen Aufrufs: Ich kann das ganze immer noch nicht nachvollziehen. Erstens sind Autoren wie Karl Olsberg und Nele Neuhaus dabei, die meines Erachtens ihren Erfolg maßgeblich der Plattform amazon und der eBook-Technik verdanken, die ohne amazon heute noch stiefmütterlich wäre. Karl Olsberg hat das auch in seinen Kommentaren bestätigt und Nele Neuhaus habe ich damals über die eBook-Charts entdeckt, wo sie berechtigt schon enorm erfolgreich war, bevor es gedruckte Bücher von ihr im Handel gab.
Amazon versucht – wie beschrieben – offenbar mit harten Bandagen und der über Jahren gewachsenen Reputation und Marktmacht zwei Verlage dazu zu bringen, endlich Preismodelle für eBooks zuzulassen, die dieser Technik zu weiterem Durchbruch verhilft. Ein Ansinnen, was ich als Kunde, besonders als deutscher Kunde, nur begrüßen kann. Denn wie das aktuelle viel besprochene Buch „The Circle“ von Dave Eggers zeigt, nutzen Verlage in Deutschland die Buchpreisbindung schamlos aus. Das Buch kostet im englischen Original bei amazon als eBook noch nicht mal € 5,-. In Deutschland soll ich für die Übersetzung € 19,99 zahlen. Sorry, das verstehe ich als Kunde nicht.
Zudem werfen die Autoren amazon exakt das vor, was der Buchhandel in den USA – worauf ich in meinem Beitrag schon hingewiesen habe und was auch in einer ARD-Sendung über amazon gezeigt wurde – selbst massiv praktiziert: Bücher aus amazon eigenen Verlagen werden dort offensiv boykottiert. Und da USA ja der Auslöser dieser Aktion ist, ist dies allein schon ein Grund, sich als Autor hier nicht vor den Karren von knallharten Marktwettbewerbern spannen zu lassen. Denn denen, die hier miteinander im Clinch sind (Großverlage, Großhändler) sind all die Autoren, die sich jetzt empören, ziemlich schnuppe.
Ich kann mich auch nicht erinnern, dass deutsche Autoren in der Vergangenheit mal gemeinsam einen Aufruf gegen die Praktiken von Thalia, Weltbild & Co. erwogen hätten. Deren vergangene Geschäftsstrategie war eindeutig der Versuch einer Oligopol-Bildung im deutschsprachigen Buchmarkt. Doch da sie im eCommerce den Kunden nicht überzeugen konnten und bei der disruptiven Technik eBook zu lange gezögert haben und erst mal den Vorreiter amazon ins unternehmerische Risiko gehen liessen, wurde da nix mehr draus. Und das, obwohl der deutsche Buchmarkt durch Preisbindung geschützt ist, haben es die deutschen Marktteilnehmer nicht geschafft, sich den eCommerce und den eBook-Markt zu sichern. Das ist schlichtweg ein unternehmerisches Armutszeugnis.
Wie die aktuellen Zahlen vom Buchmarkt zeigen, sind eBook und Ratgeber derzeit die Wachstumstreiber. Eigentlich unglaublich bei den eBook-Preisen in Deutschland, aber mit Lesern wie mir kann man es ja machen, weil ich selbst bei diesen Preisen Sachbücher lieber als eBook erwerbe, da deren Halbwertzeit meist nur bei 2 bis 4 Jahren liegt und es einfach angenehm ist, jederzeit und -orts auf Sachbücher zugreifen zu können, solange sie aktuell sind. Deswegen habe ich diese auf einem eReader.
Und das man über die Rolle von amazon und die Verantwortungen über die aktuellen Marktverschiebungen im Buchmarkt deutlich differenzierter Nachdenken sollte als es offenbar Autoren tun, zeigt dieser Artikel von Rüdiger Wischenbart, ehemals Pressesprecher der Frankfurter Buchmesse, der auf die damalige Hasstirade gegen amazon von Sibylle Lewitscharoff reagierte. Kann nicht feststellen, ob sie auch zu den Unterzeichnern gehört, da man dort allmählich den Überblick verliert.
Und zu guter Letzt: die meisten Autoren, die sich derzeit empören, geben doch vor, dass sie gerne der Gefahr der Monopolisierung von amazon vorbeugen und aktiv den Buchhandel unterstützen wollten. Ganz vorne ran Günter Wallraff, der ja amazon aufforderte, sein Bücher auszulisten. Doch bedauerlicherweise machte das amazon bisher nicht, sondern verkauft ihn einfach weiter. (Das dokumentiert schon Größe eines Unternehmens, wenn es seinen härtesten Kritiker weiter Geld verdienen lässt. Würde wohl keine deutsche Bank in Deutschland machen) Es mag zynisch klingen, aber jetzt tut doch amazon den Autoren und dem Buchmarkt offenbar den Gefallen und listet einige nicht mehr. Ja, perfekt, da würde ja endlich auch kein Leser mehr verführt, den neuen Roman von Nele Neuhaus bei amazon zu bestellen, sondern der Fan geht jetzt freudestrahlend solidarisch in den Buchhandel.
Steckt da vielleicht sogar Kalkül der Verlage und Autoren hinter? Eine geniale Verschwörung gegen amazon? Ist das eine von langer Hand raffiniert vorbereitete, geschickt ausbaldowerte Aktion „So holen wir unsere Kunden wieder in den Handel zurück!“? Spinnen wir doch mal weiter, da könnte doch glatt ein Wirtschaftsthriller draus werden.
Sorry, wenn das jetzt nicht so witzig ankommt wie es gemeint ist. Vielleicht ist dann Hans Zippert für manchen mehr zum Lachen.
Im Fall von Frau Neuhaus wohl tatsächlich nicht, da Media Control zu diesem Zeitpunkt zumindest die Verkäufe über Amazon gar nicht eingerechnet hatte (ob sie es heute tun, da bin ich überfragt). Diese „Charts“ zeichneten schon ein sehr verfälschtes Bild.
Als Self-Publisherin wäre ihr das jetzt nicht passiert; als Autorin bei Ullstein zählt sie zum Kollateralschaden des Konflikts der beiden multinationalen Großkonzerne. Passiert jedem Arbeiter auch. Täglich. Weltweit. Willkommen in der Realität.
Hallo, eine kurze, aber wichtige Anmerkung von mir: die ersten E-Books meiner Bücher erschienen 2009, als ich vom Ullstein-Verlag unter Vertrag genommen wurde. Zuvor hatte ich meine ersten 3 Bücher ab 2005 im Selbstverlag herausgegegeben, beim print on demand-Anbieter Monsenstein & Vannerdat drucken lassen und die gedruckten Bücher an Leser, Buchhandlungen und via Amazon Partnernet an Endkunden geschickt. Ich habe in Deutschland nie mit Amazon als Verlag zusammengearbeitet. Bei mir kam der Erfolg tatsächlich zuerst über das gedruckte Buch, nicht über das E-Book, das bis heute nur einen geringen Teil meiner Buchverkäufe ausmacht. Herzlich, Nele Neuhaus
Herzlichen Dank, Frau Neuhaus, für die Kommentierung. Habe ich das so missverständlich geschrieben, dass der Eindruck entsteht, amazon hätte Sie verlegt? Ich habe nur darauf hinweisen wollen, das ich auf Sie sehr früh durch die eBook-Charts aufmerksam wurde, in den denen sie damals ganz weit oben standen (http://www.boersenblatt.net/454908/). Und diese eBook-Charts sind nun mal primär ein Verdienst von amazon und nicht vom klassischen Buchhandel.