Ich bin doch nicht blöd!

Folie1In den wenigen Tagen, in denen die Feindbild trunkene Debatte zur Zukunft des Buchmarktes aktuell tobt, fällt es zunehmend schwerer nüchtern zu bleiben – mir und offenbar auch vielen Autoren. Was Daniel Kehlmann und Jan Brandt noch draufpacken, entlarvt, dass es vielen Autoren eben nicht nur um einen fairen – besser wäre wohl kaufmännisch ehrenhaften – Umgang aller Teilnehmer auf dem Buchmarkt geht, sondern um die Diabolisierung eines einzigen globalen Marktteilnehmers. Manchmal glaube ich fast, Schriftsteller haben zu viel Paranoia-Literatur gelesen. (Nachtrag in der Debatte und super auf den Punkt gebracht: „Mitleid ist kein Marketingkonzept“ Markus Hatzer vom Haymon-Verlag Markus)

Um es an dieser Stelle noch mal deutlich zu machen: mir ist amazon schnuppe. Ich bin da ganz unfair. Ich wähle häufig amazon, weil es mir nützlich ist. Doch die Alternative zu amazon ist für mich nur ein Klick weiter. Meine ersten eBooks – wie die angesprochene Entdeckung von Nele Neuhaus – habe ich nämlich bei iBooks erworben. Ich hatte ein iPad und sah keine Notwendigkeit, mir auch noch einen kindle zuzulegen. Doch dann erfuhr ich, dass Apple und die Verlage in USA sich unlauter abgesprochen hatten, um amazons langfristige Strategie zu blockieren, eBooks wie Musikalben auf einen Durchschnittspreis $ 9,99 zu bringen. Daraufhin hab ich meine Marktmacht genutzt und mir dann doch noch einen kindle zugelegt, weil ich das „unfair“ fand. Und morgen kaufe ich mir vielleicht einen Tolino, wenn amazon nicht so spurt, wie ich das als Kunde will.

Buchmedien

Meine geliebten Contentträger: Notizbuch, Hardcover, eReader und Tablet. Übrigens Ursula Krechels „Landgericht“ gibt es jetzt endlich als günstiges Taschenbuch. Sehr zu empfehlen.

Amazon hatte damals die gleiche Strategie anwenden wollen, wie zuvor Apple bei Musik als sie alle Titel auf $ 0,99 bepreisten. Zu Beginn hat das Apple mit fehlender Deckung der Musiklabel gemacht. Apple hat Druck aufgebaut, auf die Kundenmacht gesetzt und ist dennoch ein horrendes finanzielles und unternehmerisches Risiko eingegangen. Es hätte ja auch schief gehen können, wenn die anderen Marktteilnehmer bei diesem Poker gewonnen hätten.

Wäre ich Aktionär von amazon, würde mich das derzeit sehr nervös machen. Denn als Investor und Berater in den neuen Märkten und Medien, weiß ich, wie schnell ein Unternehmen, das eben noch als Rising Star erachtet wurde morgen schon zu den armen Hunden gezählt wird. Doch als Kunde bin ich unfair oder wie man in einem anderen Markt ja gerne sagt: Ich bin doch nicht blöd!. Ich wähle einfach das, was ich für besser oder günstiger erachte.

Und so gestehe ich, dass ich in den 80er unserer großen Sortimentsbuchhandlung im Frankfurter Stadtteil Sachsenhausen den Rücken kehrte als Hugendubel in der Innenstadt eröffnete. Doch zugleich eröffnete auch das Lesecafe mit angeschlossener Buchhandlung, mit einem sehr spitzen belletristischen Sortiment. Da bin ich dann ebenso oft hingegangen, habe mich mit den Buchhändlern intensiv ausgetauscht, später angefreundet und mich als Student stundenlang bei einem Kaffee lesend in ihr Cafe gesetzt und mir dafür aber auch ein Buch dort gekauft. Das Lesecafe gibt es heute noch und läuft – soweit ich das weiß – weiter gut. Leider bin ich nur noch selten in meiner alten Heimat, aber wenn, dann immer wieder dort.

Und abschließend noch: was ist denn z.B. daran fair, wenn Verlage, wie Bonnier, heute ihre eigene eCommerce-Seite betreiben und ich dort die Bücher am Handel vorbei für den gleichen Preis erwerbe. Bekommen dann die Autoren das Geld, was ich dem Verlag gegenüber dem Handel erspart habe?

Leute, ich bin doch nicht blöd!

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3 Gedanken zu “Ich bin doch nicht blöd!

  1. Als Kunde: Hinsichtlich Amazon sehe ich das als Kunde so: Wenn ich englische Bücher kaufe (und die nicht bei booklooker.de und medimops gebraucht billiger ist), ist Amazon immer noch bei weitem günstiger als deutsche Buchhandlungen. Also kaufe ich bei Amazon. Wenn ich neue, deutsche Bücher will, bestelle und kaufe ich die in deutschen Buchhandlungen. Denn ob ich die am nächsten Tag da oder bei der Post abhole, ist egal. Wenn ich gebrauchte, deutsche Bücher will, gucke ich zuerst bei medimops und booklooker, dann auf dem marketplace bei Amazon und entscheide dann.
    Als Autor: Ich oute mich damit, im Eigenverlag (über Amazons createspace und den kindle publisher) etwas veröffentlich zu haben. Die Kindle Version meines Buches kostet 3,50 und ich mache 2,35 Gewinn. Die Taschenbuchversion kostet 9,85 und ich mache 1,20 Gewinn. Das zeigt, dass man EBooks unendlich viel günstiger anbieten könnte in Deutschland. Bücher on demand zu drucken ist gerade für unbekannte Autoren gut, denn da weiß man noch nicht, wie die Auflage sein wird und ob man nicht die Umwelt schadet, weil von der anvisierten Auflage hunderte Bücher auf dem Müll landen.
    Ich bin wirklich nicht gegen Verlage. Aber die Buchkultur wird sich ändern und wer weiß, wo wir dann landen. Wichtig für Autoren werden Lektoren und Werbefachleute bleiben. Und dass sich jemand um ihre Rechte kümmert. Das sind drei Dinge, weswegen Verlage bestehen bleiben könnten – oder Agenturen wichtiger werden. Wer weiß, wie es sich genau entwickelt.
    Diese ganze Diskussion halte ich für wichtig, aber ermüdend. Wenn Amazon keine Disneyfilme für den von Disney anvisierten Preis verkaufen will, bestelle ich sie mir in einem anderen Onlineshop, denn auf den Film werde ich dennoch nicht verzichten. Wenn ich ein Buch haben möchte, dass Amazon mir nicht liefert, gehe ich in eine Buchhandlung. Und es ist ja nicht so (wie Sie auch schon schrieben), als hätte nicht z.B. Thalia ebenfalls schon dafür gesorgt, nur bestimmte Verlage zu verkaufen, weswegen ich Thalia schon seit Jahren nicht mehr betrete.
    Vielleicht sollte man nicht meinen, dass der Kunde generell dumm ist. Die Menschen wissen, dass sie nicht nur bei Amazon einkaufen können. Und für so viele Autoren ist Amazon eben doch gut, weil ihre Bücher dort gelistet bleiben, wenn sie schon längst aus dem Regal der kleinen Buchhandlung nebenan verschwunden sind. (Aber das sagten Sie auch schon bereits.)

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