Der Legende nach war Thomas von Aquin ein naiver, weltferner Zeitgenosse und wurde deshalb von seinen Klosterbrüdern gerne verhohnepiepelt. So sollen sie einmal am Fenster stehend dem am Tisch sitzenden Thomas zugerufen haben:
„Schau mal Thomas, da fliegt ein Esel.“
Er eilte zum Fenster und erntete daraufhin jede Menge Hohngelächter. Seine anschließende Bemerkung sollte jedoch die Brüder verstummen lassen:
„Eher glaubte ich, dass ein Esel fliegen kann als das mich meine Brüder derart hinters Licht führen.“
So naiv wie dieser Thomas war auch ich. Und zwar gegenüber den Medien, insbesondere den öffentlich-rechtlichen und großen, überregionalen Tages- und Wochenzeitungen. Jahrzehntelang verstand ich diese „unabhängigen“ Medien als aufklärerische Institutionen, als publizistische Vorinstanzen im demokratischen Meinungsbildungsprozess.
Meine Naivität lag in der Annahme begründet, dass in diesen Medien ebenso integre wie fachlich kompetente Menschen arbeiten, die Informationen umfassend sammeln, sortieren, gewichten und verständlich aufbereitet publizieren. Das selbstverständlich immer im klugen, kritischen Austausch mit Redaktionskollegen, die dann auch gemeinsam die einzige entscheidende Instanz bilden, ob und wie etwas veröffentlicht wird.
Der Naivität ging ja ein großer, dankbarer Deal voraus, von denen die Medien bzw. ihre Vertreter und ich gemeinsam lang Zeit profitierten. Ich schenkte ihnen mein Vertrauen, gemeinsam mit vielen anderen naiven Vertrauensschenkern. Und mit diesem Geschenk verliehen wir den Medien große Macht. Macht, die es ihnen ermöglichte ihre Unabhängigkeit zu bewahren. Sie konnten mit unserem Vertrauen haussieren gehen, sie mussten sich nicht anbiedern, sie mussten keine Gefälligkeiten leisten, sie konnten überall mit unserem Vertrauensvorschuss zahlen.
Dieses „naive“ Vertrauen war der Garant für einen wichtigen gesellschaftspolitischen Pakt zwischen den Bürgern und ihren Medien. Ein Pakt, der eine Grundfeste für ein funktionierendes freiheitliches Staatsgebilde ist. Offenbar löst sich dieser Pakt allmählich auf:
Aus der aktuellen Studie Oktober 2015 „Glaubwürdigkeit der Medien“, gesamt hier.
Hallo,
das passt genau zu dem, was ich vorgestern auf der Facebook-Seite der Tagesschau erlebt habe. Immerhin lebt man dort von unseren Gebühren, sodass ich mir ein Anrecht auf wahre Berichterstattung erhoffe. Die Tagesschau hatte also dargestellt, aus welchen Herkunftsländern die Flüchtlinge zwischen Januar und Oktober 2015 und nur im Oktober 2015 gekommen waren. Dabei hatte man sich auf das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bezogen. Ich würde wetten, dass niemand damit gerechnet hatte, dass es Facebook-Leser geben würde, die auf der BAMF-Website nachsehen würden. Die gab es aber (ich war eine davon). Auch als mehrere Leute darauf hinwiesen, dass die Tagesschau Unsinn geshrieben hat (es schien der Redaktion darum zu gehen, dass die Zahl der Balkanflüchtlinge abgenommen hat), hat man sich einen Tag lang totgestellt. Erst dann hat man auf Daten verwiesen, die das BAMF zur Verfügung gestellt habe. Das Ganze hatte einen sehr seltsamen Geruch, und ich befürchte, dass nach solchen Begebenheiten noch mehr „Lügenpresse“-Rufer auftauchen und die tatsächlich zweifelhaften Verlage und Zeitungen Auftrieb bekommen.
Viele Grüße
Ina