Scheitern auf höchstem Niveau

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Sicher ungewollt lässt Jonas Lüscher in seinem beeindruckenden, ersten Roman „Kraft“ die mir einzig sympathische Figur heftig, wenn auch indirekt unken, was den derzeitigen Hoffnungsträger einer sozialdemokratischen Kanzlerschaft betrifft:

„Nein, ich sage dir, war sich Bertrand sicher, Schröder, das ist doch für eine ganze Generation Deutscher die politische Enttäuschung ihres Lebens. Stell dir vor, man wächst in Deutschland auf und alles, was man kennt, ist dieser Kohl – sechzehn Jahre Kohl. …. Sechzehn Jahre Scham und Pein, und dann kommt Schröder, und es ist, als hätte endlich jemand das Fenster geöffnet und frische Luft hereingelassen. Und dann betrügt er sie, alle … der Genosse der Bosse – …“

Bertrand ist Franzose, intellektuell, privilegiert, reich und ein „unverbesserlicher Linker“. Er hatte seine Dozentenstelle als Professor aufgegeben und sich auf das Weingut seiner Familie zurückgezogen, nachdem er zu der ihn erhellenden Ansicht gelangt war, dass er Teil des französischen Problems der Linken sei. Die französische Linke habe sich nämlich zweier Vergehen schuldig gemacht:

„Sie habe sich nie ernsthaft darum bemüht, das elitistische und neofeudale Ausbildungssystem zu reformieren, …. Zum Zweiten, …, habe sich die Linke schamlos dem Neoliberalismus an die Brust geworfen und damit Verrat geübt an der Arbeiterklasse, indem sie den Begriff des Klassenkampfes für überholt erklärte und damit die Existenz jener, um die sie sich eigentlich zu kümmern habe, geradewegs zu negieren versucht, …“ Weiterlesen

Aufklären lässt sich nur, wer aufgeklärt werden will.

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Nur ein aufgeklärter Geist, kann auch ein freier Geist sein. Nach Jean-Jaques Rousseau könne der Mensch zwar auch zur Freiheit gezwungen werden, doch in Bezug auf die Ausbildung eines freien Geistes widerspricht dies der Prämisse der Aufklärung, wie Kant sie etwas hölzern, jedoch eindeutig erklärt:

„Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Sapere aude! Habe Mut dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung.“

Für uns Deutsche ist meist Immanuel Kant der geistige Vater der Aufklärung. Doch als er 1784 diese Antwort veröffentlichte, war ein Vordenker seit acht Jahren tot, über den Kant bekannte, dass dieser ihn aus seinem „dogmatischen Schlummer“ erweckt habe: der Moralphilosoph David Hume (1711 – 1776).

Der Schotte Hume ist einer der bedeutendste Vertreter der schottischen Aufklärung, die Mitte des 18. Jahrhunderts Edinburgh und Glasgow zu einem intellektuellen Zentrum von Freidenkern machte. Neben Hume zählt sein langjähriger, enger Freund Adam Smith (1723 – 1790) zu den auch international sehr einflussreichen schottischen Denkern dieser Zeit.

david_hume-bioBeide bzw. ihre wesentlichsten Thesen und ihre Einflüsse auf das moderne Denken sind mir über Sekundärliteratur bekannt. Doch muss ich bekennen, keine Originalwerke von ihnen je in die Hand genommen zu haben. Im Falle von Adam Smith wird sich das umgehend ändern. Dank der aktuellen, hervorragend verfassten Biografie von Gerhard Streminger. Und ebenso werde ich mich hoffentlich bald auch der vorhergehenden Biografie über „David Hume“ von Gerhard Streminger widmen können.

Während letztere knapp 800 Seiten umfasst, ist es dem Autor nun gelungen, Leben, Denken und Bedeutung des Urvaters der modernen Ökonomie Adam Smith auf wenig mehr als 200 Seiten zu verdichten. Und selbst eine kritische Würdigung seiner Thesen sowie der neuzeitlichen, ideologischen Interpretationen findet in dem Werk Raum. Wer also sein Bild vom vorgeblich geistigen Vater der neoliberalistischen Denke erweitern und gegebenenfalls korrigieren möchte, findet hier eine ideale Lektüre.

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Sorry, Mr. Obama, that wasn’t my thing.

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„Science-Fiction ist eine Literatur, die der ganzen Menschheit gehört. In ihr geht es um Ereignisse, die die ganze Menschheit angehen, und deshalb sollte sie das Literaturgenre sein, das für Leser aller Länder am ehesten verständlich und zugänglich ist.“

Die drei Sonnen von Cixin Liuschreibt der chinesische Autor Cixin Liu im Nachwort zu seinem Roman „Die drei Sonnen.“ Zu dieser Ansicht gelangte er wohl aufgrund des für ihn ebenso wie für mich überraschenden internationalen Erfolges seines Romans. Nicht nur wurde er mit dem „Hugo Award“ und dem „Galaxy Award“ ausgezeichnet, sondern auch von prominenter Seite als sehr lesenswertes Buch empfohlen. Sowohl Marc Zuckerberg pries diesen in China 2006 erstmals als Fortsetzungsroman veröffentlichten Bestseller an, sondern auch Barack Obama nannte ihn unter den zehn Büchern, die er während seiner Amtszeit gelesen und ihn beeindruckt hätten.

Das war für mich dann doch ein willkommener Anlass, mich mal wieder diesem Genre zu widmen. Zuletzt las ich vor ca. einem Jahr die ähnlich von der SF-Fangemeinde gehypeten Romane von Daniel Suarez „Daemon“ und „Darknet“. Doch weder konnten mich damals diese beiden noch diesmal der Roman von Cixin Liu überzeugen, außergewöhnlich lesenswert zu sein. Vielleicht vermögen andere Leser dieser Bücher verständlich machen, welche Ebene mir verborgen geblieben ist. Ich jedoch habe zwar zeitweilig unterhaltende, jedoch konventionelle Skripte gelesen, gestaltet nach den ewig gleichem Grundmuster, wie sie auch für Computerspiele bzw. Fictionfilme erstellt werden, wobei zweifellos Lius Roman hervorragend komponiert ist, also guter literarischer Pop. Weiterlesen