Diesen Beitrag schrieb ich 2017 vor der anstehenden Bundestagswahl. Ich habe ihn jetzt nach vier Jahren wieder gelesen und fühle mich bestätigt, dass er an Aktualität nichts verloren hat. Doch damals lautet meine Überschrift:
Ich wähle diesmal nicht! Weil ich mir mehr Demokratie wünsche.
2017 schrieb ich: „Seit einiger Zeit festigt sich mein Entschluss, meine Wahlfreiheit auszuüben und im September nicht zu wählen. Ich schließe mich damit der wachsenden Gruppe der Nichtwähler an. Nein, es ist nicht wachsende Politikverdrossenheit. Im Gegenteil. Je intensiver ich mich politischen Themen widme, desto stärker wächst mein Unbehagen über das Wahlspektrum und die Suche danach, wie ich mir eine deutlich repräsentativere Demokratie wünsche.“
Heute bin ich zwar nicht mehr fest entschlossen, nicht zu wählen, jedoch weiterhin überzeugt, dass man Nichtwählen in einer parlamentarischen Demokratie, die ausschließlich durch Parteien repräsentiert wird, bewusst abstraft, um diesen Parteienproporz aufrecht zu erhalten. Und auch wenn das Don Quijoterie ist, werfe ich diesen Beitrag nochmals in die Arena. Die kleine Hoffnung ist, dass sich mehr Menschen politisch selbst aufklären und sich bewusst machen, dass wir derzeit in einer Bequemlichkeits-Demokratie leben, in der die meisten nur einen Verwaltungsapparat wählen, in der Hoffnung einigermaßen in Ruhe ihr privates Dasein leben zu können.
Wer jedoch wirklich Teilhabe aller Bürger:innen am politischen Gestalten wünscht, wer mehr Diversität und Repräsentation aller Bürger:innen im Parlament haben möchte, der kann mit dem bestehenden Wahlprinzip nicht zufrieden sein.
Als ich vor vier Jahren meine Entscheidung bekundete, nicht zu wählen, waren die Reaktionen – oder soll man besser sagen: die Reflexe – erwartungsgemäß. Von seufzender Zustimmung bis hin zu „Find ich scheiße.“ oder „Nichtwähler sind die, die uns eines Tages in die Scheiße reiten.“
Sonderlich konstruktiv waren die meisten Kommentare nicht. Vielmehr bestätigten sie ein traditionell gewachsenes Phänomen, das David Van Reybrouk, belgischer Historiker und Autor, in seinem Buch „Gegen Wahlen“ als Wahl-Fundamentalismus bezeichnet.
„Wahlfundamentalismus ist der unerschütterliche Glaube, dass keine Demokratie ohne Wahlen denkbar ist, dass Wahlen die notwendige, konstitutive Bedingung sind, um von einer Demokratie sprechen zu können.“
Wobei hier die Wahlen von Volksvertretern zu verstehen sind, nicht die Abstimmung über politische Entscheidungen. Letztere sind selbstverständlich wesentlicher Bestandteil einer Demokratie.