„Freude und Bürde zugleich“ twitterte ich als ich erfuhr, dass ich als einer von 15 Bloggerpaten für eines der zum Leipziger Buchpreis nominierten Bücher ausgewählt worden sei. Eine Jury der Leipziger Buchmesse, die man nicht nur um ihre Aufgabe beneiden sollte, wählte aus ca. 70 Anmeldungen aus. 70 Blogger, die sich bereit erklärten, Pionierarbeit zu leisten. Sind 70 nun viel oder wenig? Ich weiß es nicht. Auf jeden Fall wünsche ich mir, dass dieser Vorstoß der Messe, Literaturblogger aktiv in den Literaturbetrieb einzubeziehen, sehr gute Resonanz findet. Weiterlesen
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Notizen zur Selbstbedienung (8)
Stürmt die Buchhandlung! Botho Strauss „Herkunft“ befühlen, beschnuppern und lesen!
Ich muss Abbitte leisten. In der Vergangenheit habe ich doch zu leichtfertig propagiert, dass es beim Buch nicht darauf ankäme, ob digital oder gedruckt, sondern auf den Inhalt. Für 99% der Bücher trifft das meines Erachtens immer noch zu. Doch mit „Herkunft“ von Botho Strauss widerlegen Autor und Verleger die 100%-These.
Die schlicht-edle Leinenhaptik des Buches versetzt mich augenblicklich in den Zeitraum zurück, in den ich mit dem Aufschlagen dann knapp 100 Seiten lang einreisen darf. Und auch der Geruch sowie die Farbe intensivieren die Empfindung eines Zeitsprunges. Der smaragdgrüne Einband erinnert mich an die Stoffbezüge einiger Sitzmöbel meiner Großeltern und deren Freunde. Strich man mit der Hand darüber, vermittelten sie einem eher Robustheit als Kuscheligkeit.
Das schmale, jedoch gewichtige Buch in der Hand zu befühlen, zu streicheln und zu beschnuppern war sicher das gewünschte und von mir auch wunderbar geschätzte Vorspiel zu Botho Strauss Erinnerungen an seine Herkunft, an denen er uns darauffolgend dann teilhaben lässt.
Und was diese Teilhabe betrifft, fällt es mir sehr schwer, meine hymnische Begeisterung zu zügeln. Vor kurzem erst ereiferte ich mit einigen Bloggern über die Frage „Was ist große Literatur?“. Nun halte ich mit diesem schmalen Bändchen etwas in den Händen, von dem ich mit voller Inbrunst der Überzeugung sage: Das da! Und das sage ich besonders auch, weil ich bislang Botho Strauss zwar geschätzt habe, aber er mir dennoch nicht als einer der ersten als Beispiel in den Sinn gekommen wäre. Bislang finde ich weitgehend Bestätigendes in den wenigen Rezensionen der Feuilletons, so z.B. aktuell in der Literaturbeilage der Zeit von Ijoma Mangold, in der SZ und in der Welt von Wolfgang Büscher.
Bitte, lest „Herkunft“ noch auf dem Weg zur Buchmesse! Hat sich ja erledigt.
Wenn dieses wunderbare Kleinod an Erinnerungsliteratur nicht ein hörbares begeistertes Aufatmen und großes Echo in den Gängen der Messe erzeugt, dann verstehe ich die Bücherwelt nicht mehr. Ein schöneres und überzeugenderes Geschenk für die Liebhaber des Buches aus der vordigitalen Welt kann kein Autor machen.
Der Anlass: Der Groll der Jugend über einen verbitterten, sich seinen erzkonservativen Werten gegenüber verpflichtet fühlenden Vater – wie auch ich ihn gegenüber meinem kleinbürgerlich und kleingeistig empfundenen Großvater verspürte – will nach über 50 Jahren noch erklärt sein. Doch mehr und mehr drängt sich der Respekt vor der bewahrten Haltung eines Mannes vor, den das Schicksal durch Kriegsversehrung im ersten Weltkrieg und den kompletten Verlust der materiell großbürgerlichen Existenz durch den zweiten Weltkrieg bedrückt hat und den man ja auch geliebt hat und der einen auch das hat werden lassen, was man heute ist.
„Ohne Dich wäre ich nicht ich.“ ließ ich auf der Todesanzeige meiner Großmutter hinzufügen, die für mich, der ich vaterlos aufwuchs, eine zweite Mutter war. Ihr danke ich sehr – trotz ihrer biederen, ähnlich kriegsverbitterten Lebensweise – für ihre mir entgegengebrachte Liebe, Zuwendung und Aufmerksamkeit. Ihr Mann, mein Stiefgroßvater, den ich als Vaterfigur bis zu meinem vierzehnten Lebensjahr erlebte, war mir ähnlich nah und dennoch fern, wie der Vater, den Botho Strauss portraitiert. Doch während Strauss nun rückschauend mehr und mehr dessen sonderliches Wesen entschuldigt, kann ich bis heute meinem jahrzehntelang bei Neckermann in immer gleichbleibender Position arbeitenden, kleinmütigen Großvater nicht verzeihen.
Botho Strauss schildert eine provinzielle bürgerliche Kulisse in Bad Ems, in der er aufwuchs und in der man das „Hut ziehen“ vor anderen noch wörtlich nahm. Dabei vermittelt er den Eindruck, in sehr spürbarer, materieller Bescheidenheit aufgewachsen zu sein. Diese sei der Erfolglosigkeit seines freiberuflichen Vaters geschuldet, die er nach der Flucht in den Westen mit 60 Jahren begann. Ein „bescheidenes Leben“ ist sehr relativ, wie sich anhand der Tatsache erläutern lässt, dass die Familie Strauss zu dritt in einer 7 Zimmer Wohnung mit Dienstmädchen lebte und der Vater dem Sohn beispielsweise DM 10,- für jede Doppelstunde Altgriechisch zahlt, die der Sohn auf dem neusprachlichem Gymnasium freiwillig belegt. Strauss bezeichnet dies dann recht humorig als „die wohl nützlichste und ertragreichste Investition meines Lebens.“
Aber die konkreten, biografischen Fakten sind in dem Einblick in seine Erinnerungswelt unerheblich. Es ist die beeindruckende dichterische Sprache, die sich schlafwandlerisch auf dem Grat zwischen heute ältlich und damals fast Avantgarde bewegt. Und es ist eine, ja ich finde betörende, eigenwillige ästhetische Form, seine Erinnerung zu fassen, zu fesseln und zu deuten.
Sprachlich lockt Strauss zum einen gerne in die Zeit zurück, wenn er zum Beispiel schreibt:
„Wie schimpflich aber, daß(!) ich mich so genierte, wenn ich ihm mit meinen Kameraden auf dem Schulweg begegnete, wenn er mir entgegenkam auf dem Rückweg von seinem Morgenspaziergang und ich nicht wagte, ihn unbefangen zu grüßen.“
Zum anderen versteht er es aber auch ebenso lakonisch als auch melancholisch einen sehr berührenden Sachverhalt neuzeitlich zu beschreiben:
„Morgen wird die Wohnung der Eltern aufgelöst. Morgen wird meine Kindheit entrümpelt.“
Und zum selben Thema an anderer Stelle, die dem Buch denn auch seinen Titel gab:
„Die Auflösung der Wohnung zieht aus jedem Winkel, jedem Gegenstand Herkunft hervor.“
Und es finden sich viele Einsichten über die Kindheit und Jugend, die man nur im vorgerücktem Alter gewinnt:
„Man erinnert sich einer Zeit, da man noch den Schutz der Zukunft genoß (!): die Dinge, wie man ihnen auch begegnete, sie standen bevor.“
Sowie:
„Nie hast du Unglück so hart und pur empfunden wie in der Unruhe und Quere des Aufwachens.“
Und an anderer Stelle etwas allgemein Lebensphilosophisches:
„Immer formt Schicksal eine tiefere Einsicht, als die Intelligenten, die seine Macht nie zu spüren bekamen, sie für sich in Anspruch nehmen dürfen.“
Mir sehr zu Herzen ging Botho Strauss Erinnerungen an die Hände des Vaters, wie er sie bewegte und welche Haltung Hände und Gestus vermitteln. Die sehr detaillierte Behandlung des Themas „Hände“ kulminiert am Ende in der Feststellung:
„Heute sind Hände nicht sehr gefestigt, … scheinen (…) sich zu schämen und werden schnell unruhig.“
Eine Beobachtung, die ich nicht gleich bestätigen würde wollen, jedoch für durchaus plausibel erachte.
Nicht zuletzt gibt Botho Strauss auch seinen zukünftigen Biografen deutliche Hinweise auf die Trigger, die ihn in seiner Jugend zur Literatur und Theater sich hinwenden ließen. Denn seinem Elternhaus verdankt er das nur sehr bedingt. Weit mehr Einfluss hat ein Lehrer namens Telkrath, dessen „ästhetische Erziehung ich genoß und der mich vom „Bravo“-Leser (Hört, hört!) zum „Tristan“-Schwärmer veredelte.“
Und er bläst ein wenig in das Horn der Kritiker, die ihm eine gewissen reaktionären, machtopportunistischen Zug zusprechen – doch meines Erachtens sich sehr souverän einer solchen politisch gewollten Zuordnung entziehend:
„Vielleicht weil ich nie ein fröhlicher Waisenknabe der Rebellion war, der den Vater los sein wollte und dem sein Lebtag der Wutschweiß ausbricht, wenn ihm Macht als Machtperson begegnet, neige ich zu der Ansicht, daß Macht vielen, die sie nicht besitzen, das Leben besser sichert als Macht, in die sich viele teilen. Aber das sagt jemand, dem Autorität immer nur genützt hat, dem in Erziehung und Beruf Vorbild, Meisterschaft und Anführung selbstverständlich waren und den sie immer nur gefördert und niemals unterdrückt haben.“
Allen jungen Menschen, die derzeit noch auf der Suche nach herausragender Literatur sind bitte ich, diesem Buch mit Wohlwollen zu begegnen und sich auf den manchmal etwas irritierend ältlichen Stil einzulassen. Vielleicht lädt euch diese das letzte Kapitel einleitende Textpassage ein, das Buch zu lesen
„Zähmung der Erinnerung, Dressur der Wehmut ist unvermeidlich, wenn man etwa einem jungen und unbekannten Menschen etwas von früher erzählen will. Eigentlich gelangt man ja nur nach Hause in verschwommenen, undisziplinierten Empfindungen. Fügt sich die Erinnerung, so schwindet sie schon.“
Zum Schluss verspreche ich jedem, der dieses Buch liest, dass er noch nie eine so beeindruckend literarische Beschreibung eines Briefbeschwerers gelesen hat, die zukünftig exemplarisch – ob akademisch oder künstlerisch – für viele zukünftige Generationen sein wird, die sich mit dem Schreiben befassen. Eben große Literatur.
Nachtrag: weitere Rezensionen, die ich bislang finden konnte:
Liebe Autoren: „Mitleid ist kein gutes Marketing“*
Sie haben es erneut getan: amerikanische Schriftsteller wenden sich mit einem offenem Brief nun an den Verwaltungsrat von amazon, mit der Forderung, man möge sie bzw. ihre Bücher doch bitte aus der leidigen Auseinandersetzung mit Hachette heraushalten. „Bücher seien doch keine Konsumgüter, wie Waschmaschine oder Toaster.“ Ich befürchte, die deutschen Autoren ziehen da bald wieder jammernd nach. Liebe Verleger, fangt sie doch bitte rechtzeitig ein und erklärt ihnen, wie Markus Hatzer* vom Haymon-Verlag dass „Mitleid kein gutes Marketing ist“.
Über die Produktentwicklung „Buch“ habe ich bestenfalls solides Allgemeinwissen, doch beim Marketing kann ich auf über 25 Jahre berufliche Erfahrung setzen. Aus dieser Position empfehle ich den Autoren dringend, ihre Strategie zu wechseln. Denn nichts straft der „Konsument“ härter ab als selbsterklärte Opfer. Das können wir aktuell an der Auseinandersetzung von Taxiunternehmen und dem Fahrdienst Uber sehen, das können wir seit Jahren in der „Gema“ organisierten Musikbranche verfolgen, genauso wie in der alten Medienbranche und im stationären Handel (nicht nur Buchhandel) und, und, und.
Schon vor Jahren haben es viele Charity-Organisationen begriffen, dass Kampagnen, die mit Opfermotiven werben, weit weniger Spenden einbringen, als Motive, die erstarkte Gewinner des Engagements zeigen. Meine Frau und ich engagieren uns selbst seit 2007 für die Organisation „Room-to-read“ mit der Initiative „Deutschland macht Schule“. Nie wären wir auf den Gedanken gekommen, mit Bildern trauriger Kinder zu werben, die in überfüllten Schulen um wenige, zerfetzte Bücher kauern. Was wir zeigen sind Kinder, die dank der großzügigen Spenden fröhlich vor neuerrichteten Schulgebäuden sitzen und begeistert in frisch gedruckten Schulbüchern blättern. Das ist kein Marketingtrick, sondern es ist das, was wir den Spendern schuldig sind: zeigen, dass das gesamte Engagement zuversichtliche, motivierte Hoffnungsträger hervorbringt.
Liebe Autoren, ich habe mich ja schon mehrmals in die amazon-Debatte eingemischt – als leidenschaftlicher Leser, der überaus dankbar dafür ist, dass es Menschen wie euch gibt, die sich dem doch oft undankbaren und wenig lukrativem Schreiben widmen. Jedem, der ein Buch schreibt, zolle ich großen Respekt vor der intrinsischen Motivation und bewiesenen Selbstdisziplin, so ein Projekt zu stemmen. Hinzu kommt noch die öffentliche, oft bedrückend und schmerzliche Erfahrung von Nichtbeachtung, fehlender Anerkennung oder gar harscher und bisweilen sehr verletzender Kritik. Das muss man erst mal bereit sein, sich anzutun. Wer all dies schafft, der darf sich doch dann nicht auf dem Markt in eine defensive, Verständnis und Mitleid heischende Verhandlungsposition bringen: „Nehmt doch unsere Bücher nicht in Geiselhaft.“
Aktuell schreiben die amerikanischen Autoren in ihrem offenen Brief in Bezug auf den spürbaren Verkaufsrückgang der Bücher von Hachette-Autoren(innen) (laut deutscher Übersetzung):
„Diese Männer und Frauen sind zutiefst besorgt darüber, was dies für ihre Karriere bedeutet.“
Hallo! Ihr seid Schriftsteller und drückt Euch aus wie ein katzbuckelnder Beamter im mittlerem Dienst, der an eine anonyme Oberdirektion schreibt. Habt ihr alle nicht Kafka gelesen? Und dann folgt auch noch die populistisch historische Keule:
„Entsprechende Bemühungen, den Verkauf von Büchern zu behindern oder blockieren, haben eine lange und schlimme Geschichte. Wollen Sie persönlich damit in Verbindung gebracht werden?“
Das ist harter Tobak und kurz gesagt: würdelos. Reißt euch zusammen, setzt euch mit euren Verlegern, Agenten und Verhandlungsprofis zusammen und entwickelt endlich eine Strategie, wie ihr auf Augenhöhe mit Bezos & Co. Tacheles reden wollt.
Und zu guter Letzt: Bücher sind Konsumgüter wie Waschmaschinen und Toaster. Sie haben nur den unschlagbaren Vorteil, dass wir „Buch-Konsumenten“ sie weitaus höher schätzen als Toaster und Waschmaschinen. Und damit das so bleibt, gebt uns das gute Gefühl zurück, dass ihr „Produzenten“ mit einer vorbildlichen Haltung seid, die was Herausragendes, höchst Begehrliches zu bieten haben.
Kein Kommentar, bitte!
Nachdem ich meinen Blogbeitrag „Na, heute schon amazon gebasht?“am Donnerstag veröffentlichte, kündigten – wie ich erwartete hatte – auch deutsche Autoren an, sich mit den amerikanischen zu solidarisieren. Der Buchreport hat meinen Beitrag freundlicherweise am Freitag geteilt. Dort hatte ich dann einen kleinen Kommentar PingPong mit dem Autor Karl Olsberg. Daraufhin habe ich dann noch mal die Veröffentlichung der deutschen Autoren gesucht, gefunden und gelesen. Auf der hierfür eigens angelegten Seite wird offenbar keinerlei Wert gelegt, Kommentare zuzulassen und damit die Diskussion zu bündeln. Schade, eigentlich.
Auch nach dem Lesen des deutschen Aufrufs: Ich kann das ganze immer noch nicht nachvollziehen. Erstens sind Autoren wie Karl Olsberg und Nele Neuhaus dabei, die meines Erachtens ihren Erfolg maßgeblich der Plattform amazon und der eBook-Technik verdanken, die ohne amazon heute noch stiefmütterlich wäre. Karl Olsberg hat das auch in seinen Kommentaren bestätigt und Nele Neuhaus habe ich damals über die eBook-Charts entdeckt, wo sie berechtigt schon enorm erfolgreich war, bevor es gedruckte Bücher von ihr im Handel gab.
Amazon versucht – wie beschrieben – offenbar mit harten Bandagen und der über Jahren gewachsenen Reputation und Marktmacht zwei Verlage dazu zu bringen, endlich Preismodelle für eBooks zuzulassen, die dieser Technik zu weiterem Durchbruch verhilft. Ein Ansinnen, was ich als Kunde, besonders als deutscher Kunde, nur begrüßen kann. Denn wie das aktuelle viel besprochene Buch „The Circle“ von Dave Eggers zeigt, nutzen Verlage in Deutschland die Buchpreisbindung schamlos aus. Das Buch kostet im englischen Original bei amazon als eBook noch nicht mal € 5,-. In Deutschland soll ich für die Übersetzung € 19,99 zahlen. Sorry, das verstehe ich als Kunde nicht.
Zudem werfen die Autoren amazon exakt das vor, was der Buchhandel in den USA – worauf ich in meinem Beitrag schon hingewiesen habe und was auch in einer ARD-Sendung über amazon gezeigt wurde – selbst massiv praktiziert: Bücher aus amazon eigenen Verlagen werden dort offensiv boykottiert. Und da USA ja der Auslöser dieser Aktion ist, ist dies allein schon ein Grund, sich als Autor hier nicht vor den Karren von knallharten Marktwettbewerbern spannen zu lassen. Denn denen, die hier miteinander im Clinch sind (Großverlage, Großhändler) sind all die Autoren, die sich jetzt empören, ziemlich schnuppe.
Ich kann mich auch nicht erinnern, dass deutsche Autoren in der Vergangenheit mal gemeinsam einen Aufruf gegen die Praktiken von Thalia, Weltbild & Co. erwogen hätten. Deren vergangene Geschäftsstrategie war eindeutig der Versuch einer Oligopol-Bildung im deutschsprachigen Buchmarkt. Doch da sie im eCommerce den Kunden nicht überzeugen konnten und bei der disruptiven Technik eBook zu lange gezögert haben und erst mal den Vorreiter amazon ins unternehmerische Risiko gehen liessen, wurde da nix mehr draus. Und das, obwohl der deutsche Buchmarkt durch Preisbindung geschützt ist, haben es die deutschen Marktteilnehmer nicht geschafft, sich den eCommerce und den eBook-Markt zu sichern. Das ist schlichtweg ein unternehmerisches Armutszeugnis.
Wie die aktuellen Zahlen vom Buchmarkt zeigen, sind eBook und Ratgeber derzeit die Wachstumstreiber. Eigentlich unglaublich bei den eBook-Preisen in Deutschland, aber mit Lesern wie mir kann man es ja machen, weil ich selbst bei diesen Preisen Sachbücher lieber als eBook erwerbe, da deren Halbwertzeit meist nur bei 2 bis 4 Jahren liegt und es einfach angenehm ist, jederzeit und -orts auf Sachbücher zugreifen zu können, solange sie aktuell sind. Deswegen habe ich diese auf einem eReader.
Und das man über die Rolle von amazon und die Verantwortungen über die aktuellen Marktverschiebungen im Buchmarkt deutlich differenzierter Nachdenken sollte als es offenbar Autoren tun, zeigt dieser Artikel von Rüdiger Wischenbart, ehemals Pressesprecher der Frankfurter Buchmesse, der auf die damalige Hasstirade gegen amazon von Sibylle Lewitscharoff reagierte. Kann nicht feststellen, ob sie auch zu den Unterzeichnern gehört, da man dort allmählich den Überblick verliert.
Und zu guter Letzt: die meisten Autoren, die sich derzeit empören, geben doch vor, dass sie gerne der Gefahr der Monopolisierung von amazon vorbeugen und aktiv den Buchhandel unterstützen wollten. Ganz vorne ran Günter Wallraff, der ja amazon aufforderte, sein Bücher auszulisten. Doch bedauerlicherweise machte das amazon bisher nicht, sondern verkauft ihn einfach weiter. (Das dokumentiert schon Größe eines Unternehmens, wenn es seinen härtesten Kritiker weiter Geld verdienen lässt. Würde wohl keine deutsche Bank in Deutschland machen) Es mag zynisch klingen, aber jetzt tut doch amazon den Autoren und dem Buchmarkt offenbar den Gefallen und listet einige nicht mehr. Ja, perfekt, da würde ja endlich auch kein Leser mehr verführt, den neuen Roman von Nele Neuhaus bei amazon zu bestellen, sondern der Fan geht jetzt freudestrahlend solidarisch in den Buchhandel.
Steckt da vielleicht sogar Kalkül der Verlage und Autoren hinter? Eine geniale Verschwörung gegen amazon? Ist das eine von langer Hand raffiniert vorbereitete, geschickt ausbaldowerte Aktion „So holen wir unsere Kunden wieder in den Handel zurück!“? Spinnen wir doch mal weiter, da könnte doch glatt ein Wirtschaftsthriller draus werden.
Sorry, wenn das jetzt nicht so witzig ankommt wie es gemeint ist. Vielleicht ist dann Hans Zippert für manchen mehr zum Lachen.