Seltene Begegnung: Literatur, die sich mit großem Respekt und beeindruckendem Einfühlungsvermögen dem hohen Alter widmet. Der Kanadierin Jocelyne Saucier gelingt das mit ihrem feinsinnigen Roman „Ein Leben mehr“, übersetzt von Sonja Fink, in dem sie sich auch der Sehnsucht nach einem selbstbestimmten Leben und Tod widmet. Spontan fallen mir nur wenige Romane ein, in denen Alte die Hauptfiguren sind, die dem Leben noch etwas abgewinnen und dem Tode kraftvoll trotzen. Allen voran Hemingways „Der alte Mann und das Meer.“
Gewohnt sind wir skurrile Geschichten über agile Alte oder Figuren im gesegneten Alter, die auf ihre fachliche Kompetenz als alter Kommissar oder weiser Professor beschränkt werden, doch letztlich emotional bedürfnislos und asexuell bleiben. Oder die klassischen Alter Ego Geschichten von alten Autoren, die sich in wehmütigen Rückblicken, demütigen Lebensbilanzen und großväterlicher Larmoyanz über die Vergänglichkeit der Jugend suhlen.
Jocelyne Saucier setzt dagegen die Geschichte von der Erfüllung des rousseauschen Traums dreier alter Männer, die sich in die Wälder Kanadas zurückgezogen haben, um dort nicht ihr Glück zu finden, sondern ihre Freiheit zurückzugewinnen. Weiterlesen