Zur Thrillerliteratur habe ich ein ambivalentes Verhältnis. Ich lese sie ab und an, so wie ich ab und an auch gerne Actionfilme schaue oder auch zeitweise recht fasziniert von den Pathologie- und Forensiker-TV-Serien war. Über die Gründe, warum dieses Genre so erfolgreich ist, wird zur Genüge an anderer Stelle psychologisiert. Ich selbst ertappe mich dabei, dass ich es dann bevorzuge, wenn ich der literarischen Tiefgründigkeit müde bin und denke, etwas lesen zu müssen, das mich einzig unterhält, jedoch persönlich – also mein Wesen – nicht berührt. Ich mag gebannt und angewidert sein, mag schaudern ob der monströsen Gesellschaft, die mir hier geschildert wird, aber letztlich bleibt sie mir völlig fern und fremd.
Über Thriller intensiver zu reflektieren, käme mir deshalb nicht in den Sinn. Denn in Bezug auf die Realität sind Thriller für mich literarische Drohnen. Sie sichern mir die größtmögliche, notwendige Distanz, um ihr Sujet erträglich zu machen. Die Story mag noch so realitätsnah sein, ich verlasse mich zum eigenen Schutz auf ihre Fiktionalität. Würde ich jeden Thriller so lesen (müssen) als wäre er das minutiöse Tagebuch eines realen, literarisch talentierten Serienkillers oder eines Amokläufers wie Breivik, könnte und wollte ich sie nicht lesen. Das Gleiche gilt auch für Filme dieses Genres.
Es gab eine Zeit, in der ich diese Distanz noch nicht hatte: meine Kindheit. An prägende Literatur erinnere ich mich nicht, jedoch an Fernsehmomente, die mich im Nachhinein diese Distanz lehrten. Es war zum einen „Das Millionenspiel“, ein kongenialer Fernsehfilm, der 1970 im ZDF ausgestrahlt wurde, und den ich mit 9 Jahren bei meinen Großeltern sah. Ich kann mich nicht erinnern, dass man mich damals darüber aufgeklärt hätte, dass dies nur ein Film sei. Ich war felsenfest überzeugt, dass hier echte Kandidaten vor Auftragskillern durch die Stadt flüchteten und darauf hofften, am Ende der Show 1 Mio. Mark zu gewinnen wenn sie überleben. Weiterlesen