Heute schon gelacht?

Lachen sorgt dafür, dass die Bösartigkeit des Lebens uns nicht ganz und gar überwältigt

Charlie Chaplin

Lachen befreit, Lachen verbindet, Lachen ist gesund. Das ist die schöne Seite des Lachens. Was bringt uns zu diesem Lachen, das Chaplin hier wohl meint? Bei Chaplin denken wir sofort an Komik und Slapstick, die selbst dem Teuflischem noch was zum Lachen abgewinnt.

Doch wenn wir ehrlich sind, ist das, was uns oft zum Lachen bringt, eigentlich traurig. Denn, wenn wir lachen, lachen wir oft über das Missgeschick oder das Ungeschick anderer. Der Clown macht dieses Lachen zu seinem Beruf. Der August stellt sich so dumm an, dass selbst Dreijährige sowas lustig finden, weil sie es schon besser könnten.

Und auch in Witzen muss oft eine verdutzte Person oder eine vorgeblich naive Gruppe dafür herhalten, dass wir uns köstlich amüsieren. Das Auslachen ist die Schattenseite des Lachens. Das Lachen auf Kosten anderer. Insofern ist unser Lachen, unser Humor, das, was wir für besonders lustig finden, auch ein Spiegel unserer Haltung zur Welt. Und Chaplin macht es sich zu einfach, wenn er hinter dem Lachen einen Widerstand gegen die Böswilligkeit des Lebens erkennen will. Im Gegenteil: Lachen ist oft selbst der böswillige Ausdruck.

Es ist ja nicht so, dass es nicht auch ein Einiges zu lachen gäbe, was kein Auslachen ist. Doch dieser Sinn für Humor ist nicht sonderlich oft ausgeprägt. Feiner Humor, Ironie und Selbstironie ist eine Kulturtechnik, die Souveränität erfordert. Und souverän kann nur ein starker, gefestigter Charakter sein, der sich mit seiner Position in der Welt arrangieren kann. Diese Charakterstärke, diese Souveränität scheint aktuell abzunehmen. Sie steht ja auch im Widerspruch zur derzeit oft eingenommenen Opferrolle. Und die Opferrolle ist ja der wesentliche Topos im Witz. Sie wird dem zugeschrieben, über den man als letztes lacht. 

Sie haben mich ausgelacht, verlacht, sich lustig gemacht – das sind oft sehr schmerzhafte Traumata. Nur ob sie so schmerzhaft empfunden werden, hat auch etwas mit einem selbst zu tun. Die Sensibilität ist wohl in jüngerer Vergangenheit größer geworden. Aus jedem Belächeln wird ein Auslachen, aus jedem Schmunzeln ein empörtes Sich-lustig-machen und jede ironische Replik zu einer Gehässigkeit erklärt. Was uns früher als Schlagfertigkeit imponierte, wird heute mit dem Vorwurf der „Empathielosigkeit“ totgeschlagen. 

Vielleicht ist unsere Lachkultur ein gutes soziologisches Indiz über den akuten Zustand unserer Gesellschaft. Wer was zu lachen haben will, der muss auch mal bereit sein, etwas zum Lachen zu geben oder der Anlass zum Lachen zu sein. Politische Karikaturen waren immer ein guter Sensibilitäts-Test, wie souverän Regierende mit ihrer Rolle, ihrem Fremdbild umgehen können. Leider spielt diese Kunst heute kaum noch eine Rolle. Wenn wir es selbst nicht mehr ertragen, auch mal im belachten Mittelpunkt eines Witzes zu stehen, wird es mit der Zeit sicher immer weniger lustig werden.

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