Ein verführerisches Angebot

Biblio

In solchen Momenten fühle ich mich sehr geschmeichelt und geehrt als ich diese Anfrage in meinem Postfach fand:

Ich bin ein 22-jähriger Student der schon sein ganzes Leben liest, so langsam aber allerdings den Überblick verliert über Bücher die man gelesen haben muss. Ich folge ihrem Blog schon eine Weile und mir gefallen ihre Buchvorstellungen ausgesprochen gut! Nach dem ich jetzt 2 Jahre den örtlichen Buchshop mit Fragen zu Literaturempfehlungen „genervt“ habe, wussten sie auch keine Neuvorschläge für mich.

Daher meine Frage an Sie: Welche Bücher muss man, ihrer Meinung nach, unbedingt gelesen haben? Dabei ist das Genre und die Thematik mir relativ gleichgültig, ob Trivialliteratur, Gesellschaftskritik, Fachbuch oder auch Biografien!

Wow, was für ein verführerisches Angebot. Und das auch noch nach dem ich zuvor offensichtlich einige junge Menschen vor den Kopf gestoßen habe, in dem ich Fantasy- und eskapistische Literatur zwar für akzeptabel, jedoch deren Reflexions- und Rezeptionsangebote für recht beschränkt erachte. Nebenbei: mein Angebot zum Austausch zwischen den Welten bekam noch keine Rückmeldung aus der „Szene“.

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Im Frühling sterben. Das ist Literatur für die Jugend!

RothmannIm Einzelfall muss ich die Entscheidung eines Autors respektieren, wenn er es müde ist, sich bzw. seine Arbeit vermarkten zu lassen – wie aktuell Ralf Rothmann. Er hat die Frage des Verlages, ob er mit seinem neuen Roman am Wettbewerb um den deutschen Buchpreis teilnehmen möchte, sehr persönlich mit dem Bartleby-Zitat abgelehnt: „Ich möchte lieber nicht.“

Doch es ist schon enervierend, wie häufig Literaturschaffende regelmäßig das Stöhnen, Nölen und Mokieren über den Kommerz getriebenen Wettbewerbszirkus und Marketingrummel kultivieren. Im Falle Ralf Rothmanns „Im Frühling sterben“ bedauere ich es, dass er nicht auf der Auswahlliste des deutschen Buchpreises steht. Und zwar nicht so sehr, weil ich ihn ebenso wie viele Feuilletons und Blogger (siehe unten) für herausragend erachte und somit als Gewinner favorisiere – da können sicher auch andere dabei sein – , sondern weil ich diesem Buch eine besondere Aufmerksamkeit außerhalb der literarischen Öffentlichkeit und insbesondere bei der Jugend wünsche. Denn dass der Preis eine besondere Wirkung erzielt, hat mein Bloggerkollege Tobias Nazemi auf seinem Blog Buchrevier vor kurzem berichtet.

Wer möchte noch einmal 17 sein?

Die im Frühling 1945 einsetzende Geschichte um Walter und seinen Freund Fiete, die beide siebzehnjährig auf einem Hof in Norddeutschland als Melker arbeiten und kurz vor Kriegsende wie viele Jugendliche von der SS zwangsrekrutiert werden, beinhaltet alles, was man sich als zeitlosen Stoff eines Entwicklungsromans bzw. heute gern genannten „Coming of age“-Romans wünscht.

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Hier geht´s um die Wurst. Essays von Uwe Timm.

UweTimmEigentlich finde ich die Analogie des Essens, wenn es um Literatur geht, ziemlich unappetitlich. Das Buch sei was für literarische Feinschmecker, man habe den Roman verschlungen oder das Buch mache Hunger auf mehr erwecken in mir unangenehme Assoziationen. Aber das ist Geschmacksache. Bei Uwe Timm liegt es jedoch sehr nahe ans Essen zu denken. Denn mit seiner Geschichte über „Die Entstehung der Currywurst.“ wurde er nicht nur mir sehr bekannt.

Seither hat er noch zahlreiche Romane geschrieben, von denen ich u. a. „Rot“, „Kopfjäger“ und „Vogelweide“ gelesen habe – mir allesamt sehr lesenswert in Erinnerung. Nun gab er ein Büchlein mit einigen Essays raus, die im erweiterten Sinn alle um die literarische Wurst kreisen. Eingeführt wird mit einer kurzen Würdigung des Vaters der essayistischen Kunst: Michel de Montaigne. Zu Montaigne las ich vor einiger Zeit Sarah Bakewells „Das Leben Montaignes in einer Frage und zwanzig Antworten“, dass mir eine sehr gelungene Einführung zu Montaigne scheint. Und ein abschließendes Zitat aus diesem ersten Essay las ich in der Besprechung der SZ, das mich dann zum sofortigen Kauf des Buches bewegte:

„…die Bücher. Sie stammen von Toten und aus ihnen sprechen Tote. Wer sie in der Bibliothek des Turms ergriffen hat, der erfüllte sie lesend mit Leben, zugleich aber raubten sie dem Lesenden etwas von seiner Lebenszeit. Und so trieben die Bücher nicht nur in diesem Turm ihr vampirhaftes Wesen, sondern tun es in jeder Bibliothek, so modern verglast und lichtdurchflutet sie auch sein mag.“

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Youtube ist kein Kita-Platz

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Liebe Schutzpatrone unserer Youtuber-Jugend,

nachdem ich meine Grenzen widerspruchsloser Toleranz gegenüber „Sara Bow & Co.“ beschrieb, bekam ich u. a. die Rückmeldung, ich würde den Fans von Sara vor den Kopf stoßen. Das habe ich zwar mit meinen Beitrag eigentlich nicht gemacht, da ich ihn gar nicht an die Fans adressierte. Dennoch würde ich auch sie vor den Kopf stoßen. Jedoch nicht ungefragt.

Jetzt bekommt gerade LeFloid auch harsches Feedback für die recht schnarchige Einlage mit unserer Bundeskanzlerin. Das wiederum löst bei vielen Kommentatoren dann gleich wieder einen ähnlichen Welpenschutz-Reflex wie bei Sara aus und sie springen ihm verständnisvoll bei.

Da ich der Ansicht bin, dass auch die neuen, jungen Medien keine Kita-Plätze sind, sollten wir hier mal die sich tummelnde Jugend sich selbst mit dem Feedback überlassen – wie z. B. auch dem vom Blogger Sosojaja, der hofft, dass Florian Mundt noch hinzulernen mag. Denn wir wollen doch LeFloid wünschen, dass er nicht zum ersten Johannes B. Kerner der Generation Youtube wird. Alt genug sind sie ja alle zu entscheiden, was sie davon annehmen wollen und was nicht.

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Sara! Mir graut’s vor dir.

BuchtuberJa, die Buchtuberin Sara Bow und einige andere machen das klasse – die machen nämlich Kasse. € 800,– im Monat ist zwar nicht die Welt (mit Lippenstiften verdient man eigentlich besser), aber sie liebt halt Bücher. Da verzichtet man auch mal, wenn es der Sache dient.

Zu diesem Buchtuber Phänomen „Sara Bow & Co.“ hatte die SZ einen Artikel, nein besser ein Portrait veröffentlicht. Sympathisch und beruflich abgeklärt kommt die 21-jährige Bloggerin – also Generation von Ronja von Rönne – rüber. Und zweifellos hat sie digital-ökonomisch alles richtig gemacht. Respekt.

Deshalb hatte nicht nur ich gestern den Artikel auf Facebook gepostet, sondern allein in meinem Kreis auch zehn andere und es gab eine recht rege Reaktion darauf. Der Tenor war – etwas überraschend für mich – recht wohlwollend: Ist doch ok, lass sie doch. Es ist doch gut, wenn die überhaupt Bücher ins Sortiment nimmt. (Sie ist ja eigentlich Mode & Kosmetik Bloggerin) Und überhaupt, wenn es einem nicht gefällt, sollten sich mal die anderen Literatur-Blogger mit ihrer Anspruchshaltung was Besseres einfallen lassen. (Vielleicht so was wie Felix Wegener und Harald Link mit BOOKMARKS?)

„Die machen ja keine Buchkritik, die wollen ja nur empfehlen und verkaufen.“ war auch eine Rechtfertigung. Ähm ja, aber die Qualität der Urteile? Auf diesen Einwand gibt es umgehend eine erschlagende Antwort:

„Wer sagt denn eigentlich, was gute oder schlechte Literatur ist?“

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Der Club der elitären Schöngeister

Literatursalon2

Der literarische Salon von Madame Geoffrin

Hut ab – Wolfram Schütte (75) will es noch mal wissen: ein Start-Up für eine Literaturzeitschrift im Netz, das sich aus Stiftungsgeldern finanzieren und „Club-Beiträge“ erheben soll.

Einmal mehr wird hier eine „Marktlücke“ intendiert, die aus einem ebenso subjektiven wie sentimentalen Verlustgefühl resultiert: es gäbe immer weniger Literaturbeiträge in den etablierten Medien. Ja, warum wohl? Sicher nicht, weil die Medien diese nicht „produzieren“ wollten, sondern schlicht und ergreifend, weil die Nachfrage danach kaum besteht. Und das nicht erst seit Anbeginn des Internets. Auch zuvor wurde das Feuilleton immer von den anderen Ressorts alimentiert. Doch der damit gewünschte Gesamteffekt, auf den ich weiter unten noch mal eingehe, hat sich allmählich abgenutzt. Daran werden sicher nicht mal ähnlich charismatische Nachfolger auf Joachim Fest, Joachim Kaiser, Marcel Reich-Ranicki und Frank Schirrmacher etwas ändern.

Von Zeit zu Zeit ist es angebracht vor die Tür zu treten und mal ganz nüchtern mit weitem Abstand auf die Institutionen der Hochkultur im Allgemeinen und auf die der Literaturbranche und des Feuilletons im Besondern zu blicken.

Es gibt Branchen, die sind derart bemüht, ständig ihr Mantra der eigenen Notwendigkeit und Bedeutung vor sich herzutragen, dass man den Eindruck gewinnt, in ihr arbeiten nur Anhänger des Solipsismus. Besonders ausgeprägt ist dies in der Werbebranche und ebenso – auch wenn ihr der Vergleich sicher nicht behagt – in der Literaturbranche. Weiterlesen