Sara! Mir graut’s vor dir.

BuchtuberJa, die Buchtuberin Sara Bow und einige andere machen das klasse – die machen nämlich Kasse. € 800,– im Monat ist zwar nicht die Welt (mit Lippenstiften verdient man eigentlich besser), aber sie liebt halt Bücher. Da verzichtet man auch mal, wenn es der Sache dient.

Zu diesem Buchtuber Phänomen „Sara Bow & Co.“ hatte die SZ einen Artikel, nein besser ein Portrait veröffentlicht. Sympathisch und beruflich abgeklärt kommt die 21-jährige Bloggerin – also Generation von Ronja von Rönne – rüber. Und zweifellos hat sie digital-ökonomisch alles richtig gemacht. Respekt.

Deshalb hatte nicht nur ich gestern den Artikel auf Facebook gepostet, sondern allein in meinem Kreis auch zehn andere und es gab eine recht rege Reaktion darauf. Der Tenor war – etwas überraschend für mich – recht wohlwollend: Ist doch ok, lass sie doch. Es ist doch gut, wenn die überhaupt Bücher ins Sortiment nimmt. (Sie ist ja eigentlich Mode & Kosmetik Bloggerin) Und überhaupt, wenn es einem nicht gefällt, sollten sich mal die anderen Literatur-Blogger mit ihrer Anspruchshaltung was Besseres einfallen lassen. (Vielleicht so was wie Felix Wegener und Harald Link mit BOOKMARKS?)

„Die machen ja keine Buchkritik, die wollen ja nur empfehlen und verkaufen.“ war auch eine Rechtfertigung. Ähm ja, aber die Qualität der Urteile? Auf diesen Einwand gibt es umgehend eine erschlagende Antwort:

„Wer sagt denn eigentlich, was gute oder schlechte Literatur ist?“

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Social Reading. Was ist das denn für `nen neumodischer Kram?

IMG_0736Es ist vorbei. Zumindest die Premiere des SZ-Lesesalons. Dirk von Gehlen hatte eingeladen und mehr als gedacht wollten dabei sein, sodass man die Liste der Gäste per Los auf Hundert beschränkt hatte. Ich war einer davon.

Ja, letztlich waren wir – zumindest nach meinem Gefühl – Gäste. Gäste einer Veranstaltung, bei der wir uns selbst bewirteten (ich meist mit einem Glas Rotwein) und mit Laptop oder Tablet auf dem Schoß aktiver Teil eines interessanten Experimentes der Süddeutschen Zeitung waren: dem Verfassen einer Buchrezension unter Teilnahme von hundert kritisch kommentierenden Lesern.

Zaungäste gab es keine. Denn nur wir konnten auf die Plattform DBook zugreifen, auf der wir dann gemeinsam lesend das neue Opus von Chris Anderson„Makers“ absatz- und kapitelweise kommentierten. Das begann sehr munter. Deutlich mehr Onliner als man gemeinhin bei solchen Aktivitäten vermutet, machten ausführliche Randbemerkungen. Sie waren durchweg anregend und geistreich, selten ideologisch schattiert oder gar polemisch. Letzteres war nach längerer Lektüre gar nicht so einfach.

Literatursalon2Nach wenigen Kapiteln kamen wir Gastleser ziemlich einhellig überein, dass dieses Buch bzw. dieser digitale Text schwach ist. Ich finde es typisch amerikanisch-enthusiastisch verfasst. Und es dient meines Erachtens einzig zur Vermarktung einer kaum fundierten These. In Zukunft würden tausende von kreativen Köpfen am PC alleine und in virtuellen Netzwerken weltweit vereint die Dinge des Lebens entwerfen und im besten Fall auch gleich am heimischen 3-D-Drucker produzieren. Das ganze läutet für Chris Anderson gleich nichts Geringeres als die 4. industrielle Revolution ein. Wie sich schon Jahre zuvor die Longtail-Theorie von Anderson im nachhinein als kaum ökonomisch relevant erwiesen hat, so erachte ich auch diese These für viel zu steil.

Etwas Polemik muss ich hier schon vorwegnehmen. Dieses Buch sollte meines Erachtens in Baumärkten und bei Elektronik Conrad vertrieben werden. Es wäre ein ideales Weihnachtspräsent für die Stammkundschaft. Vor den Projektmeistern und Tüftlern habe ich großen Respekt. Nach der Lektüre werden sie womöglich dieses erhebende, pathetische Gefühl ihres Tuns tatsächlich verspüren, das uns Hornbach seit Jahren über die Werbung penetriert. Doch bei mir persönlich regte sich da nichts.

MakersUnter den Gästen des SZ-Lesesalons wuchs im Verlauf der Lesung der Anteil derer der die gemeinsamen Randbemerkungen interessanter fand als das Buch. Einige wurden recht deutlich und erklärten nach Beenden des ersten Teils, dass sie alleine jetzt das Buch bestenfalls noch quergelesen hätten, aber wahrscheinlicher doch eher endgültig zugeklappt. Ob sich einige „französisch“ aus dem Salon verabschiedeten, vermag ich nicht zu beurteilen.

Die bis zum Schluss dabei geblieben sind gaben alle ihr bestes, um zu einer unterhaltsamen und anregenden Veranstaltung beizutragen. Doch das war gar nicht so einfach, wie sich das mancher erhofft hat. Die Plattform ermöglicht nur ein chronologisches Kommentieren und – wohl der Übersicht halber – keinen direkten Bezug bzw. keine Antwort auf einen bestehenden Kommentar. Dies führte dann doch eher zum Monologisieren.

Betrachtet man die Rolle des Gastgebers Dirk von Gehlen, so war es für ihn meines Erachtens eine enorme Herausforderung, dem Wunsch nach Gehör gerecht zu werden. Als Hausherr der Veranstaltung ist man ja immer bemüht, allen Gästen die gleiche Beachtung zukommen zu lassen. Eine diffizile und manchmal undankbare Situation.

Auch wenn am Ende der Veranstaltung die aktive Teilnehmerzahl schwand so bildeten die Übriggebliebenen dann aber auch den harten Kern. Wir waren die, die sich im wahren Leben zum Ende einer Party gerne in der Küche einnisten und noch stundenlang Weltbewegendes initiieren möchten. Doch der Gastgeber hatte einen Job zu erledigen. Und den erfüllte er dann doch weit gehend allein.

Der wohl etwas unbefriedigende Alleingang des Verfassens einer Kritik behagte nicht allen, obwohl es rückblickend sicher kaum einen gangbareren Weg gegeben hätte. Auch wenn wir den Text kommentieren konnten – umformulieren, ergänzen und redigieren können ihn weder hundert oder auch nur zehn Teilnehmer meines Erachtens nicht.

Es ist wohl müßig zu spekulieren, ob nicht hundert individuell verfasste Kritiken ergiebiger wären? Wenn überhaupt, dann wohl nur, wenn auch unabhängig voneinander gelesen wird. Denn das gemeinsame Kommentieren entwickelt unvermeidlich eine gruppendynamische Tendenz, sodass die Meinungsvielfalt sich zunehmend einschränkt. Das ist für mich sicher der kritischste Aspekt bei dieser neumodischen Art des social readings.

Aber es gibt noch andere Spielarten, die man z. B. auf goodreads oder wattpad verfolgen kann. Auf letzterem finden sich viele (junge) Autoren, die zum Mitlesen, Liken und Kommentieren ihrer Geschichten einladen, die sie netzoffen Stück für Stück verfassen. Jochen Möller lud mich einmal dazu ein. Es ist ein interessantes Konzept und illustriert ein wenig die Zukunft der Literaturformen und derer Entstehungen, die Dirk von Gehlen in seinem Buch „Eine neue Version ist verfügbar“ vorstellt.

Abschließend stelle ich für mich fest: so ein Salon in der virtuellen Welt ist eine feine Sache. Für mich jedoch Sachbüchern vorbehalten. Belletristisches werde ich bis auf weiteres noch alleine lesen und resümieren.

Über eine Gästeliste hätte ich mich noch gefreut, auf der man sich optional etwas näher vorstellen kann. Denn es waren doch viele interessante Leute im Salon mit denen man gerne in losem oder näherem Kontakt bleiben würde. Vielleicht kann man das noch im Nachhinein einrichten und für die Zukunft ergänzen, z. B. mit einer Twitterliste bei Dirk von Gehlen.

Der SZ, Dirk von Gehlen und Fortuna danke ich noch mal herzlich, dass ich bei dieser Premiere dabei sein konnte. Und allen anderen Teilnehmern für ihre interessanten Beiträge.

Die Rezension erschien in der SZ vom Freitag, dem 14. November, und findet sich online hier.

Die Kurzbeurteilungen einiger Teilnehmer findet man hier

Und über seine Sicht des Experiments spricht Dirk von Gehlen hier.

Nachtrag vom 18.11. die NZZ berichtet über das Experiment und dem aus Ihrer Sicht denn doch eher enttäuschendem Endergebnis, der gedruckten Rezension in der SZ. Sie spiegelt damit sicherlich wider, was wohl viele Leser und auch Teilnehmer dachten: irgendwie hatten wir am Ende mehr erwartet.

Was man aber konkret mehr erwarten könnte und ob das dann für die Leser der abschliessenden Rezension noch relevant ist, darüber müsste man sich sicher noch mal intensiver austauschen.

„Ausbildung Internet“ – da sind wir alle Lehrlinge.

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Der Zauberlehrling illustriert von Sabine Wilharm

Ich schätze das Engagement von Gesche Joost, Nico Lumma & Co. sehr. Doch ihrer gewünschten Bildungsoffensive mag ich nicht folgen. Bevor mein jetzt siebenjähriger Sohn das Programmieren in der Schule lernen soll, möchte ich, dass er nicht nur Goethes Zauberlehrling selbst lesen kann (vorgelesen aus der schönen Ausgabe des Kindermann Verlages, illustriert von Sabine Wilharm habe ich schon), sondern auch verstanden hat, was die Geschichte zeitlos macht. Und zudem begriffen haben sollte er, dass es beim Internet keinen Zaubermeister gibt, den er im Zweifel rufen kann. Weder den gesetzgebenden Staat, noch einen der unzähligen Gurus und erst Recht nicht die Millionen Evangelisten, die vor ihr fehlendes Wissen schützend den „Alles wird Gut-Glauben“ stellen.

Selten ernst zu nehmender als in diesen digitalen Zeiten ist Kants Definition zur Aufklärung: Kant_gemaelde_1

Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Muthes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Sapere aude! Habe Muth, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!

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Sokrates erhält den Schierlingsbecher

Die Begeisterung für die Digitalisierung und die Netzwelt treibt mich seit Jahren an – privat und beruflich. War es in den 90er die Digitalisierung der Medien (Musik, Foto, Literatur), der Mobilfunk und das aufkeimende Internet, so war es zu Beginn des Jahrtausend Mobile Marketing, eCommerce und den Wandel in der Kommunikations- und Entertainmentbranche (Gaming, Applikationen, Social-Media) mit zu gestalten. Zwei Dinge aber begleiteten meine Euphorie immer: zum einen die Skepsis in Bezug auf den gesellschaftlichen Mehrwert. Und zum zweiten eine philosophische Erkenntnis, die noch älter ist als die von Kant: Ich weiß, dass ich nichts weiß.

Was die Möglichkeiten und die Folgen unserer digitalisierten, algorithmisch bestimmten Big-Data-Netzwelt betrifft, erachte ich mich als ewigen Lehrling der ohne Meister lernen muss. Neben einigen immer wieder überraschenden beruflichen Erfahrungen machen mir das aktuell auch wieder einige Autoren deutlich. Vor kurzem Yvonne Hofstetter mit ihrem Buch „Sie wissen alles“ und aktuell Michael Seemann mit seinem Buch „Das neue Spiel.“. Darauf hatte mich Zöe Beck aufmerksam gemacht. Danke dafür. cover_kontrollverlust_CMYKMichael Seemann gelingt es meines Erachtens auf sehr lesbare und nüchterne Weise das aktuelle Mindest- und Basiswissen über die Netzwerkeffekte zu veranschaulichen und den damit verbundenen wachsenden Kontrollverlust jedem deutlich zu machen, der es wissen möchte. Doch wer will es schon wissen? Mir bestätigte er auf jeden Fall vieles, was ich schon als Fazit aus Yvonne Hofstetters Buch gezogen hatte. Auch er erkennt an, dass nicht Staat, Geheimdienste oder Google, Facebook & Co. die bedenklichsten Treiber des Kontrollverlustes sind, sondern wir selbst, die Nutzer und auch Nicht-Nutzer: „Der größte Gegner der Zivilgesellschaft … ist die Zivilgesellschaft selbst.“ Denn, so paradox es im ersten Moment klingen mag: der wachsende Kontrollverlust wird wohl absehbar in einen Kontrollwahn der Massen führen. Und was im (Irr)Sinne der Massen zu kontrollieren bzw. zu disziplinieren ist hat schon vor knapp einem Jahrhundert Gustave Le Bon sehr klarsichtig in seinem Werk „Psychologie der Masse.“ beschrieben.

Dem Individuum widmet Michael Seemann denn dafür seinen kategorischen Imperativ des digitalen Zeitalters. Der lautet: „Handle stets so, dass Dir öffentliche Effekte Deines Handelns langfristig vertretbar scheinen. – Aber rechne damit, dass dies nichts nützt.“ Daran, wie schnell man sich das eigene, reale Leben durch die Netzwerkeffekte zur Hölle machen kann, ermahnen Beispiele im Buch wie das von Justine Sacco. Ein dummer Tweet und nach wenigen Stunden wird man von der Masse gehasst und ist seinen Job los. Auch die ewige Häme über Bettina Wulff überschattet wie viel Rückgrat sie bewiesen hat: das Recht auf Vergessen bei Google einzufordern. Und nicht zuletzt sind die Beispiele gefakter Tweets über Terroranschläge, die zu einem Kursrutsch an den Börsen führen, Warnung was Einzelne auslösen können. Doch wichtig hierbei: die Macht dazu erteilt nicht das Internet und das Smartphone, sondern die Masse an unkritischen und bedenkenlosen Usern, die solche News gierig verbreiten.

Bildschirmfoto 2014-10-25 um 18.15.16Und auch seriöse Medien lassen sich von dieser Gier anstecken. Jüngstes Beispiel sind die sarkastischen Tweets von Christian Ginsig, Sprecher der Schweizer Bundesbahn, über seine Fahrterlebnisse in den Zügen der deutschen Kollegen. Als diese Tweets von einer kleiner Zeitung hämisch in Richtung Deutsche Bahn aufgriffen wurden, wollte der Eidgenosse Schlimmeres verhüten und löschte sie. Zu spät: SZ und FAZ griffen begierig das beliebte Bahn-Bashing auf und verbreiteten es vergnügt weiter, obwohl sie wussten, dass der Verursacher es gerne rückgängig gemacht hätte. Doch das individuelle Recht auf Vergessen war den Medien nicht wert auf eine von der Masse lustvoll aufgegriffen Story zu verzichten.

Auch sehr erhellend ist das konsequente Weiterdenken Michael Seemanns über die möglichen Szenarien in der digitalen Ökonomie. Hier zeigt sich auch die Naivität vieler „Netzexperten“, die sich offenbar über die Fragilität der Geschäftsmodelle heutiger Giganten im Netz nicht im Klaren sind. Wie schnell höhnt es ihm Netz, wenn jemand Szenarien skizziert, in denen Facebook in wenigen Jahren kaum noch Relevanz zugestanden wird, Apps wohl bald wieder bedeutungslos geworden sind oder Google sein werbefinanziertes Geschäftsmodell verliert. Facebook selbst hat es schon erkannt und sich mal schnell WhatsApp gesichert. Google weiß, dass sein größter Gegner aktuell amazon ist. Und am Beispiel Twitter kann man erkennen, dass solch fehlende Weitsicht fast die Existenz bedrohen kann. Featurette-1-Ipad-Default.png.700x610_q100_crop

Da Twitter sich zu Beginn als völlig offene Plattform anbot, die jeder App-Entwickler und Plattform-Anbieter bei sich integrieren konnte, hatte Twitter irgendwann keinen direkten Zugang mehr zu einer großen Anzahl seiner Nutzer. Somit lässt sich langfristig über Werbung nur wenig Geld verdienen. Die aktuell angekündigte Strategie von Twitter (Twitter will Passwörter ersetzen) soll jetzt aus der Not eine Tugend machen und man darf gespannt sein, wie dies dann monetarisieren soll. Ähnlich kritisch wäre es auch für Facebook und auch viel andere Newsmedien, wenn alle User nur noch „Flipboard“ benutzen würden. Und auch Google ist nicht gefeit dagegen, dass irgendwann nur noch über Siri & Co. Suchaufträge gegeben werden und viele gar nicht mehr auf Google direkt suchen.

Michael Seemann hat sein Buch zweigeteilt. Im ersten Teil – der Beschreibung der Netzwelteffekte – bleibt er wohltuend sachlich und bietet viele gute Beispiele, um die manchmal etwas komplexen Zusammenhänge zu veranschaulichen. Im zweiten Teil bezieht er dann Stellung. Er benennt wohin er glaubt, dass das Ganze führen kann, und was es seiner Ansicht benötigt, um dem unvermeidbarem Kontrollverlust irgendwie Herr zu werden. Das ist logischerweise subjektiv, aber nicht ideologisch überschattet. Im neuen Spiel will weder er Spielverderber sein, noch möchte er andere zum „Da mach ich nicht mit“ bewegen. weisen_Affen

Der Ausstieg aus der digitalen Zukunft ist mit Sicherheit keine Lösung für eine bessere Gesellschaft. Ebenso wenig wird es besser, wenn sich die Mehrheit wie die drei weisen Affen verhält. Unwissenheit schützt bekanntlich vor Strafe nicht – sei es im juristischen Sinn oder im Sinne der Lebenserfahrung. Gefordert ist die Aufklärung im Sinne Kants. Deshalb zielt mein Wunsch einer Bildungsoffensive auch nicht auf die Schule unserer Kinder und das Erlernen eines Handwerks wie Programmieren, das schon nach wenigen Jahren wieder veraltet sein wird. Ich habe in den Achtzigern auch mal Basic gelernt. Das bringt mir heute weniger als das Lego spielen in meiner Kindheit. Unseren Kindern bringen wir meines Erachtens besser Querdenken und Mathematik als Programmieren bei. Denn tiefes mathematisches Verständnis wird in einer von vielen Algorithmen beherrschten Zukunft viel entscheidender sein, um sich seine Freiheit des Denkens, des Willens und Handelns zu bewahren.

Nachtrag 12.12.2014: hier gibt es eine 3Sat Videobesprechung für Lesefaule und hier bei Sobooks kann man das Buch kostenfrei lesen und diskutieren.

Final sei noch angemerkt, dass das Buch aus einem Crowdfunding-Projekt resultiert. In dem oben beschriebenen Kontext ist die Erfahrung mit solchen Crowd-Projekten für mich sehr aufschlussreich. Aus Sicht der Initiatoren resultiert der Reiz bei Buch-Projekten nicht nur aus der sicheren Vorfinanzierung, sondern besonders aus der Mitwirkung der Crowd am Inhalt des Buches. Mir begegnete diese Form der Netzvorfinanzierung erstmals bei Dirk von Gehlen mit seinem Buch „Eine neue Version ist verfügbar.“ Dort war ich ebenso wie bei diesem Buch nicht Teil der Crowd (über 600 Unterstützer), sondern klassischer Buchkäufer und Leser.

Was mich damals schon bei Dirk von Gehlens Buchprojekt enttäuschte, habe ich unter dem Beitrag „Geld oder Lesen?“ zusammengefasst. Dirk von Gehlen hat es dort auch kommentiert und seine Sicht dazu erklärt. Wir bewerten den Erfolg unterschiedlich. Für mich zeigt sich die Crowd leider nur bei der Vorfinanzierung und im Entstehungsprozess aktiv. Doch in dem für mich entscheidenden Moment trägt die Crowd so gut wie nichts mehr bei. Sie hilft kaum das Buch in den Medien zu verbreiten und ihm den Leseerfolg zu bescheren. Doch das wäre für mich der wirklich entscheidende Beitrag zu einem Buch, das ich finanziere.

Nachtrag 22.Februar 2015: Vielleicht war ich zu ungeduldig mit meinen Erwartungen an ein Crowd unterstütztes Buchprojekt. Nun, nach einem Jahr, hat Michael Seemann einen „Abschlussbericht“ verfasst, der sich doch recht positiv und zuversichtlich liest. Dennoch überzeugt mich (wie unten bemerkt, und dann im Nachhinein als nicht weiter relevant gestrichen), Crowd-Funding bei Büchern bislang nicht.

Das Gleiche befürchte ich in diesem Fall. Denn blicke ich auf die ersten Rezensionen bei amazon, findet sich da einzig eine abgestrafte Vorankündigung, die wohl von einem Unterstützer kommt und ansonsten nur zwei sehr mäßige Urteile – eines offenbar von jemanden, der mit Michael Seemann ein persönliches Problem hat. Amazon mag nicht das Maß allen Buchmarketings sein, doch neben dem Hinweis von Zöe Beck, habe ich z.B. auch auf Twitter bis heute keine Empfehlungen mitbekommen und nur noch diesen Hinweis bei Weltsicht aus der Nische.

Und mein zaghafter Versuch, dem Buch per Twitter etwas Aufmerksamkeit zu geben, hat selbst der Autor nicht mal aufgriffen. Letztlich ist diese Erfahrung für mich sehr exemplarisch. Kritische Netznutzer stehen sich mit der Verbreitung ihrer Haltung meist selbst im Weg. Statt die Aufklärung aktiv zu verbreiten, halten sie sich „vornehm“ in ihrer Filterblase zurück. Im Gegensatz zu den naiven Netznutzern, die hemmungslos jeden Gag, jeden Nonsens, jede Blamage teilen – erachtet die „Netz-Elite“ das intensive Teilen und Verbreiten offenbar als “unschicklich”, “aufdringlich” oder “niveaulos”. So bleibt die Forderung “Klär Dich auf und handle.“ unerhört in der IKEA-Küche.