Des Kaisers neue Kleider

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Chinareise Teil 2

In seinem China-Crashkurs „Bliefe von dlüben“, weist Christian Y. Schmidt – den ich schon in Teil 1 meines China-Resümees vorgestellt habe – daraufhin, dass es zwischen Peking und Shanghai eine ewige Fehde gäbe. Die sei vergleichbar, wie z. B. die zwischen New York und Washington (kannte ich bislang gar nicht) oder die, zwischen Berlin und München. Zu letzteren gibt es jedoch einen eklatanten Unterschied.

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Während Shanghai und Peking ihre Eitelkeiten um die aktuelle Vorherrschaft chinesischer Metropolen mit Prestigeprojekten ausfechten, die jeweils aus dem eigenen selbstgefüllten und milliardendicken Stadtsäckel finanziert sind, alimentiert bei uns das Land der Lederhosen die Stadt der leeren Hosen. Wenn ich – der heute gerne in München lebt – ab und an nach Berlin reise, komme ich mir vor, wie ein alter Papa, der sein studierendes Kind besucht, um sich zu vergewissern, ob die monatliche Stütze nicht nur im Nachtleben verprasst wird. Ebenso wenig wie ich objektiv mit meinem Urteil bin, bekennt sich auch Christian Y. Schmidt zu Peking, da er nun mal dort lebt. Der Neid zwischen Peking und Shanghai (wie auch München und Berlin) lässt sich wohl auf einen wesentlichen Punkt fokussieren: Alter vs. Jugend.

Peking repräsentiert die alte Dame und Shanghai die junge Frau. Während man in Peking Geschichte und Traditionen pflegt, ist man in Shanghai offenbar radikal auf die Moderne fixiert. In Shanghai muss das Veraltete im Zweifel immer weichen. Einen heftigen Modernisierungsschub erhielt die Stadt nach Aussage unserer Freunde nochmals durch die Weltausstellung 2010. Seither sei die Metropole auch extrem sauber, was uns – nicht nur hier – wirklich aufgefallen ist. Chinas Metropolen sind wirklich sehr sauber.

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Die Expo in Shanghai (das Gelände haben wir nicht besucht) ist für mich in der Nachbetrachtung von China wieder ein gutes Beispiel, wie klischeehaft in den Medien über China berichtet wird. Wer das Thema heute googelt findet wenig Berichte über die Ausstellung selbst, sondern einzig nur die Vorberichte über die Zwangsumsiedlung von 18.000 Menschen, Festnahme von 6.000 Prostituierten und Kleinkriminellen im Vorfeld und einem Pyjama-Ausgehverbot für die Bewohner von Shanghai. Wissen sollte man aber auch, wie der Spiegel schreibt, dass mehr als 3,3 Milliarden Euro investiert wurden oder gar bis zu 40 Mrd. $, wie die Welt kolportiert, mehr als 300 Kilometer neue U-Bahn-Strecken geschaffen wurden, zahllose Straßen neu gepflastert, Parks angelegt, Häuserfassaden bemalt. Der Bund, die Uferpromenade am Huangpu, wurde komplett renoviert. Viele alte Häuser wurden durch moderne Apartmentblocks ersetzt oder mit Sichtblenden abgeschirmt.

Bei uns vergab man (im welchen Sinne des Wortes muss der Leser selbst entscheiden) diese einmalige Chance der Stadterneuerung im Jahr 2000 an/in Hannover. Damals kamen gerade mal 1/5 der Anzahl an Besuchern und gekostet hat es auch schon über 1,5 Mrd. Euro. Sicher sollte man vorsichtig sein mit Relativieren und Vergleichen. Doch wenn eine 20. Mio. Metropole 18.000 Menschen (knapp 0,1 % der Bevölkerung) umsiedelt, würde das z. B. auf Stuttgart bezogen bedeuten, dass man ca. 700 Menschen umsiedeln müsste. Die Vorstellung, dies in heutigen Stuttgart21 Zeiten politisch durchzusetzen zu wollen, lässt erahnen, was passiert, wenn auch China irgendwann lupenrein demokratisiert ist. Da kann man vielleicht verstehen, warum die Stadtplaner in China derzeit so Gas geben.

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Zudem Phänomen gibt es sogar ein ganzes Buch.

Ach, ja über die Geschichte mit dem Pyjama berichtet auch Christian Y. Schmidt und man findet jede Menge Bilder bei Google. Wenn man sich die ansieht, würde man wohl ähnliches Verhalten in Deutschland psychologisch beargwöhnen und diese Menschen eventuell gerne begutachten lassen. In China verbietet man es einfach und kaum einer hält sich dann dran. Zumindest schreibt das Schmidt. Und, oh, Wunder, besonders häufig sollen solch bekleidete Chinesen in der Nähe von Krankenhäusern gesichtet worden sein. Wer weiß, noch ein paar Jahre, dann gilt Shanghai auch als hip und trendy in Modefragen und der Pyjama ist en Vogue.

Zurück zur Fehde zwischen Peking und Shanghai. Christian Y. Schmidt schreibt dazu, die Abscheu voreinander sei größer als bei allen anderen Städten im Clinch. „Vollkommen zu Recht.“, meint er, „Die Shanghaier sind nämlich elende Protzer, die nichts unversucht lassen, um uns Pekinger zu übertreffen.“ Ganz von der Hand zu weisen, ist das wohl nicht. Zumindest, wie ich in Teil 1 schon angedeutet habe, wirkt Shanghais Fassade beeindruckender als Peking. Die Silhouette macht einfach mehr her als die riesige Ausbreitung der verbotenen Stadt – zumindest bei all denen, die man nicht zur Kernzielgruppe von Studiosus zählt.

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Bitte, nicht missverstehen. Wenn man die verbotene Stadt besucht, muss man schon ein Banause sein, wenn man davon nicht zutiefst beeindruckt zurückkehrt – ähnlich wie von der Chinesischen Mauer. Doch letztlich muss man sich auch eingestehen, dass die Herrscher von damals, die uns diese Sehenswürdigkeiten hinterließen, heute wohl eben eher Projekte wie die Skyline in Shanghai befördern würden. Diese Annahme nährte auch unser Stopp-Over auf der Chinareise: Dubai. Da sind ja Kronprinzen noch heute aktiv beim Projekt „Unsere Stadt soll schöner werden.“ Doch dort fehlt ansonsten alles, was eine Metropole wie Shanghai hat: ein quirlige Großstadtatmosphäre voller geschäftiger, anmutiger, kurioser, witziger, plaudernder, umtriebiger, reizvoller, exzentrischer, frivoler Menschen, seien sie Händler, Shopper, Flaneure, Touristen, Geschäftsleute oder sonst was.

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Als wolle der Zufall meine These von alt vs. jung unterstützen, war eine der ungewöhnlichste Begegnungen mit Bewohnern von Peking ein stark frequentierter Treffpunkt der überwiegend von der älteren Generation besucht wurde. In einer dafür eigens angelegten Parkanlage nahmen wir zunächst staunend, dann begeistert an gemeinsamen Trimm-Dich-Aktivitäten teil – besonders mein siebenjähriger Sohn und sein gleichaltriger chinesischer Freund Ben. Ob die Chinesen sportlich auffällig aktiv sind, vermag ich nicht zu beurteilen, doch sind sie offenbar sehr gesellig.

Ähnliches konnte ich schon jeden morgen mit meinem ersten Kaffee in der Hand aus der Wohnung unseres Freundes vom 21. Stock in der gegenüberliegenden Hauseinfahrt beobachten, wo sich täglich ca. 50 vorwiegend ältere Bewohnerinnen einfanden, um einen flotten Tai-Chi-Synchrontanz zu absolvieren. Das ging so ca. 30 Minuten. Getanzt wird bekanntlich auf diese und auch auf klassische Weise viel in China. Besonders amüsiert waren alle, wenn ich mich dazugesellte und mitzumachen bemühte. Das hat sie vor Lachen fast aus dem Takt gebracht. Überhaupt muss man sich in den chinesischen Städten wirklich schon so aufdringlich bzw. auffällig benehmen, um als Langnase neugierige Blicke auf sich zu ziehen. Mit meinen 193cm war ich es bislang gewohnt, in asiatischen Ländern für Amüsement und Erstaunen zu sorgen. Hier passierte dies nur ab und an auf dem Land.

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Ansonsten bin ich in China nur ebenso auffällig geworden wie in Deutschland oder USA: ich rauche noch – gern und zum Missfallen meiner kleinen Familie. Bei unseren USA-Besuchen bereitete ich mich mental auf Ausgrenzung, missbilligende Reaktionen und aggressive Intoleranz im Land vor. Doch bei China war ich zuvor entspannt und erwartete noch ein liberales, tolerantes Land ohne bemerkenswerte Einschränkungen für Raucher. Ein weiteres Klischee, das ich schnell beerdigen musste. Obwohl noch nicht die angekündigten Hardliner-Gesetze in Kraft sind, die Rauchen in der Öffentlichkeit gänzlich verbieten sollen, sieht man nur noch wenige Leute auf den Straßen rauchen. Und das in dem Land, in dem bislang jeder dritte gerne rauchte und die Zigarette noch vor kurzem bedeutend für den sozialen Kitt war, wie bei uns in den siebziger Jahren. Annähernd 10% der Staatseinnahmen in China sollen sich dem Tabakkonsum verdanken. Und darauf will man jetzt staatsseitig zugunsten der Volksgesundheit verzichten. In Deutschland wären dies ca. 50 Mrd. €. jährlich. Tatsächlich nimmt der Finanzminister derzeit über die Tabaksteuer ca. 15 Mrd. € ein. Dennoch konnte ich meinem Laster recht unbehelligt frönen. Und eine besondere Überraschung bot mir die chinesische Bahn: in den Schlafwagenzügen, die wir zweimal nutzten, gibt es offiziell noch Zonen, wo Rauchen erlaubt ist.

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Tolerant erwiesen sich die Chinesen, denen wir begegneten, auch in allen Fragen des modischen Geschmacks. Neben dem Pyjama- Tick gibt es zum Beispiel noch die lässige Bauchfrei-Mode. Nein, nicht bauchfreie Mädels, sondern gestandene Männer ziehen bei Hitze gerne auch mal den Bauch blank. Ein Schnappschuss ist mir dazu gelungen. Hab es aber nicht noch mal versucht.

Weit mehr Schnappschüsse wünschte ich mir von den trendigen, hippen, modisch eigenwilligen Frauen von Shanghai zu machen. Dabei ging ich nicht so couragiert vor, wie ein paar junge Chinesinnen, die uns ab und an kichernd ansprachen und baten, mal ein Foto mit  echten Langnase machen zu dürfen. Ich schoss da lieber mit dem Handy aus der Hüfte – und traf dann auch ab und an mal.

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Als ideales Jagdrevier erwies sich das derzeit sehr angesagte Shoppingviertel Tianzifang. Schätzungsweise 200 kleine Läden in schmalen, nur Fußgängern offenen Gässchen befinden sich hier. Neben allerlei Souvenirtrash, gibt es auch interessante Kunsthandwerk-Galerien, Modeläden und Gastro-Angebote. Unser Highlight war das Candy-Lab. Hier werden winzige, ebenso bunte wie leckere Bonbons vor Ort fabriziert und in Reagenzgläsern verkauft. Das war der Hit für die Jungs und gefiel auch mir. Könnte man sich auch in New York, San Francisco oder London vorstellen. Ob das auch in Berlin ankäme?

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Doch zurück zu den Eindrücken, was in der modischen Szene Shanghais gerade hip ist. Auffälligstes Accessoire der Frau von Shanghai ist ihre Handtasche. Ja, auch bei uns – für uns Männer schwer nachvollziehbar – zählt die Handtasche zu den wesentlichen Insignien einer mode- und statusbewussten Frau von Welt. Der grobe Unterschied liegt in der deutlich grelleren Farbwahl in Shanghai – doch mag ich irren, wenn ich darin eine kulturelle Eigenart zu erkennen glaube. Es kann auch nur generationenbedingt sein. Den feinen Unterschied mache ich an der Art der Präsentation fest. Während die Damen in der Münchner Innenstadt ihre Taschen locker pendeln lassen (Maximilian- oder Theatinerstraße) oder fest unter den Arm pressen (Kaufingerstraße, Stachus), überwiegt in Shanghai das „Vor-sich-her-tragen“, also Schulterriemen und dann bäuchlings fixieren. Ein bisschen so, wie wir als Kinder unsere Kindergartentaschen trugen.

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Bei der Kleidung überraschte mich die Freizügigkeit. Wer immer es sich leisten kann oder glaubt, leisten zu können, zeigt viel Bein und auch sonst viel Haut – blasse Haut, denn vornehme Blässe ist bei den Städtern in China angesagt. Manchmal wird sie zwar Textil bedeckt, jedoch gerne stark transparent. Die favorisierten Farben der Stoffe sind sehr feminin und harmonieren perfekt mit den Bonbons von Candy Lab. Alles in allem wäre das zwar nicht mein bevorzugter „Style“, den ich bei Frauen wünschte, doch letztlich wirkten viele Kombinationen auf mich geschmackvoll und ausgewählt. Zuhause drücke ich weit öfter schonend die Augen zu – in München und Berlin.

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Und glücklicherweise überstehen die heranwachsenden Frauen in China die modische Konditionierung aus ihren Kindertagen. Denn, das was man an pinken Plüsch, Prinzessinnen-Style und Barbie-Sweetness in den Kinderboutiquen hier angeboten bekommt, liegt nun gänzlich außerhalb meines interkulturellen, modischen Toleranzbereiches.

Im nächsten wohl abschließenden Teil 3 will ich über den touristischsten Part unserer Reise resümieren. Ein voll gepackter Tag in Hangzhou, 3 Tage in Guilin und dazwischen zwei 18stündige Nachtzugfahrten. Hier trafen wir überall auf ein sehr reiselustiges Volk: die Chinesen.

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Der Yu-Garten in Shanghai: Die Goldfische hier im Garten nennen sie „Happy Fish“. Es waren zumindest ziemliche „Fat-Fish“.

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Chinareise Teil 3

High, higher, Shanghai.

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Chinareise Teil 1

 

Eine Masse Mensch, geduckt, im einheitlich ausgebleichtem Look, drängt schweigend durch staubige Straßen eines Großstadt-Molochs, hin zu ihrem Tagwerk, von dem sie erschöpft nach 12 Stunden in eine der Millionen Bienenwaben-Einheitsstätten heimkehren, dort die Schüssel Reisgericht mit Stäbchen löffelnd im schweigenden Kreis der Großfamilie auf einen flimmernden Flatscreen stieren, um den grauen Alltag auszublenden. Demgegenüber eine korrupte Elite, die asozial Millionen rafft und ihren Reichtum protzig in den Metropolen zur Schau stellt.

Über kaum ein Land, das ich bislang bereiste, waren meine unreflektierten Vorstellungen (und Vorurteile) so weit weg von der Wirklichkeit wie von China. Und das, obwohl wir chinesische Freunde haben, die uns im vorvergangenen Jahr in Deutschland besuchten und ich vor Jahren schon geschäftlich intensive Beziehungen zu China hatte. Doch erst jetzt sind wir endlich der Einladung unserer Freunde gefolgt und haben – meine Frau, mein siebenjährige Sohn und ich – eine 14tägige Reise nach China gemacht. Danach kann ich nur sagen: ich bin tief beeindruckt, ziehe den Hut und verbeuge mich ganz tief vor den Leistungen, die die Menschen in diesem Land vollbracht haben und noch vollbringen werden.

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Sicher, in 14 Tagen kann man nur wenigen Einwohnern der über 1,3 Mrd. Chinesen die Hand schütteln und zulächeln. Sowieso ist China als „Land des Lächelns“ ein unhaltbares Operetten-Klischee, das wir Franz Lehár verdanken, der keine Ahnung von dem Land hatte, wie schon Christian Y. Schmidt in seinem satirischen China-Crashkurs „Bliefe von dlüben“ bestätigt. Die Chinesen lächeln ähnlich sparsam wie wir, doch dafür lachen sie viel schamloser. Schadenfreude ist nicht verpönt, sondern eine bevorzugte Form eines deftigen Humors. Feinsinnige Ironie und amüsante Witze zählen hingegen nicht zum Repertoire des humorigen Chinesen wenn man Christian Y. Schmidt glauben mag.

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Mein Sohn und sein chinesischer Freund Ben lassen mitten in Peking einen Drachen steigen. Eine Leidenschaft unserer Freunde in Peking.

Schmidt lebt seit 2005 in Peking, ist mit einer Chinesin verheiratet und kann sich überhaupt nicht mehr vorstellen, in einem Kleinstaat wie Deutschland zu leben. Sein Buch war ein perfekter Begleiter für unsere Reise, obwohl es – 2009 erschienen – nicht mehr ganz aktuell ist. Eine Deutschlandreportage würde in fünf Jahren sicher nicht all zu sehr an Aktualität verlieren. Doch bei Berichten über China muss man mindestens den Faktor 4 ansetzen. Hier verändert sich in 5 Jahren so viel wie bei uns in 20. Und wenn es um Stadtplanung, Bauten und Infrastruktur geht, kann man den Faktor locker auf 10 erhöhen. In Shanghai, die letzte Station unserer Reise, trafen wir Freunde, die dort geboren sind. Seit 25 Jahren leben sie im Ausland, sind aber regelmäßig in Shanghai. Sie gestanden uns, dass sich ihre Geburtsstadt in den vergangenen 20 Jahren stetig so verändert, dass sie sich alle Jahre neu orientieren müssen. Und das in einer 25 Mio. Metropole.

China ist im vielsinnigen Wortsinn gigantisch. Das Land ist 27mal so groß wie Deutschland. Und von mehr als 1,3 Mrd. Menschen bevölkert, das sind etwa 17mal so viele Einwohner wie bei uns. Somit ist es deutlich weniger dicht besiedelt. Die Metropolen Peking und Shanghai, die wir unter anderem besuchten, sind – neben Mexiko-City – die mit Abstand bevölkerungsreichsten Städte der Welt. Beide sollen aktuell weit über 20. Mio. Einwohner haben. Durch beide Städte haben wir uns zu Fuß, mit dem Auto und ab und an mit öffentlichen Verkehrsmitteln bewegt. Gerne wird in den deutschen Medien über den ständigen Verkehrskollaps berichtet, der in beiden Städten herrschen würde. Der mag dort vorkommen, aber seltener als in Berlin und München, wenn die maroden ÖVMs ausfallen oder deren Mitarbeiter streiken.

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Vielmehr ist es weitaus beeindruckender, dass der Verkehr fließt, wenn auch manchmal zäh, und dass sich 20 Millionen Menschen tagtäglich durch die Stadt bewegen können, ohne dass es dabei zu chaotischen Verkehrsszenarios kommt. Zudem fahren in diesen Metropolen überwiegend Autos, die kaum älter als drei Jahre sind. Jedes Auto darf nur an bestimmten Tagen genutzt werden und um die Umweltbelastung nicht weiter zu erhöhen, gibt es sehr rigide Zulassungsregeln, die politisch völlig undenkbar bei uns wären. Auffällig zudem sind unendlich viele Elektroroller (auch auf dem Land), was den angenehmen Nebeneffekt hat, dass diese keinen Lärm machen. Nicht zuletzt gibt es unendlich viele, bezahlbare Taxis. Denn leider muss man ansonsten feststellen, dass die Preise für Konsumgüter und Dienstleistungen in den chinesischen Metropolen auf westeuropäischem Niveau angekommen sind – nur eben Taxifahren ist noch günstig. Um sich die Dimension noch einmal klar zu machen: in den Metropolen leben und arbeiten 4mal so viel Menschen wie im Ruhrgebiet. Und wer – wie ich – mal ein paar Jahre im größten Ballungsgebiet Deutschlands lebte, ahnt vielleicht, was mich hier so beeindruckt hat.

Doch nicht nur die Metropolen Chinas versetzten uns in Staunen. Auch in der chinesischen Provinz gibt es Projekte, die mich endgültig über den aktuellen Stand unserer Kompetenz für Großprojekte grübeln lassen. Doch wenn ich Provinz schreibe und dabei an den Besuch der Provinzstadt Hangzhou denke, dann spreche ich von einer 9 Mio. Stadt. Hier sind wir mit einem der Hochgeschwindigkeitszüge von Peking hingefahren. Nach gut 7 Stunden kamen wir ca. 1.300 km südlich an und fuhren einen Tag später vom derzeit zweitgrößten Bahnhof Chinas weiter nach Guilin.

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Zunächst die eindrucksvolle Fahrt von Peking nach Hangzhou in einem chinesischen Hochgeschwindigkeitszug. Diese Strecke von 1300 km wird im 60 Minuten Takt befahren. 1300 km Wegstrecke entsprechen ungefähr der Autofahrt Hamburg – Florenz. Nach etwas mehr als 7 Stunden sind wir da, pünktlich. Durchweg fuhren wir fast immer 310 km/h und hielten an etwa 4 Stationen zwischendurch. Ich fahre in Deutschland sehr gerne Zug – auch lange Strecken von München nach Hamburg oder Berlin. Das sind dann immer gut 6 Stunden. Würde die Bahn da mal chinesisch Gas geben, wären es nur 3 Stunden. In China plant man demnächst die Geschwindigkeit auf 400 km/h zu erhöhen. So wird Bahnfahren richtig attraktiv.

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Entsprach die Zugfahrt noch meinem Vorstellungsvermögen, so war ich dann beim Anblick des Bahnhofs von Hangzhou schier baff. Dieser zweitgrößte Bahnhof Chinas ist ein architektonisches Glanzstück – sowohl ästhetisch als auch in allen Belangen des Komforts. Ein solches Gebäude würde man eher als modernen Flughafen erwarten, denn als Bahnhof. Ein riesige Ankunfts- und Wartehalle. Unterhalb der Halle sind alle Gleise angelegt, zu denen man über zig Gates gelangt. An jedem Gate ist Personal, das den Check-In betreut, Auskunft gibt und einen freundlich verabschiedet. Es gibt auch kaum Gedränge, da man nur fest reservierte Plätze vergibt. Bei der Zugfrequenz ist das offenbar möglich. Auch wenn mir unser Hauptstadt-Bahnhof in Berlin gefällt, habe ich nicht vergessen, dass sich der damalige Bahnchef Mehdorn als geiziger Bauherr und selbstherrlicher Banause gerierte und gegen den Willen des Architekten das Bauwerk rechts und links stutzen liess.Wenn man nun diesen Bahnhof in der chinesischen Provinz gesehen hat, fragt man sich, wie provinziell sind wir in Deutschland eigentlich.

Als ich unserem Freund Yan erzählte, wie beeindruckt ich von China sei und wie peinlich derzeit in Deutschland sogenannte „Großprojekte“ wie der Flughafen Berlin, Stuttgart 21 oder die Oper in Hamburg verlaufen, wollte er mir das nicht glauben. Yan ist Deutschland nicht unbekannt. Er hat in Deutschland in den Neunzigern einige Jahre gearbeitet und gehört noch zu den Chinesen, die von der deutschen Arbeitsmoral, Kompetenz und Perfektion schwärmen. Doch wie lange noch?

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Diese ersten Eindrücke von den gigantischen Dimensionen in China, die ja historisch betrachtet nur konsequent sind, wenn man – wie wir – auch den obligatorischen Besuch der Chinesischen Mauer einbezieht, werden beim Besuch von Shanghai nochmals gesteigert. Diese Stadt breitet sich nicht nur immens aus, sondern wächst auch sehr halsreckend in die Höhe. Und das nicht nur in einem Viertel sondern verschiedenen Bezirken. Die bekannte Skyline am Huangpu-Fluss ist da nur ein Distrikt von vielen, in denen Wolkenkratzer von über 150 m stehen. Derzeit sollen es 51 in Shanghai sein. Nur Hongkong hat noch ein paar mehr. Aber Chinas höchste stehen in Shanghai. Auf 472 m Höhe im Shanghai World Financial Center (Flaschenöffner-Architektur) haben wir uns die Stadt rundum angeschaut. In unmittelbarer Nachbarschaft des bislang höchsten Gebäudes in China steht nun auch die kurz vor der Fertigstellung stehende neue Superlative, der Shanghai Tower mit ca. 630 m.IMG_7652

Manch einer mag diese Hochhaus-Architektur als protzig und größenwahnsinnige Baukultur erachten, doch wer in China lebt, muss sie wohl oder übel ertragen lernen. Denn nicht nur Prestige heischende Bürotürme wachsen hier Jahr für Jahr, sondern auch unzählige Wohntürme mit über 50 Stockwerken. Und die gibt es nicht nur im Stadtgebiet der Metropolen. Sie stehen und entstehen gerade dutzendweise überall im Land, wie wir aus dem Zug oder Auto bei unseren Überlandtouren sehen konnten.

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Zum schönen Abschluss unserer Reise gab es noch eine Einladung zum Essen bei Freunden in Shanghai, denen wir zuvor zwei perfekte Sightseeing-Tage verdanken.

Beide chinesischen Freunde, die wir in Peking und Shanghai besuchten, leben selbst in solch einem Wohnturm. Sie sind nicht vergleichbar mit den Hochhäusern bei uns, die wir überwiegend dem Boom der vergangenen 60er und 70er Jahre verdanken, als modernistisch heiß gelaufene Städteplaner mit mickrigen, vielstöckigen Sozialbauten Trabantenstadtviertel schufen, die heute meist soziale Brennpunkte sind. In China können dies sehr luxuriöse Anlagen sein, die nicht nur großräumige Maisonette-Wohnungen bieten, sondern auch schön angelegte Park, Pool- und Tennisanlage rundum haben.

So was hatte ich zuvor nur in Hongkong kennengelernt. Als wir dort Freunde besuchten, staunte ich bei der Fahrt in die 8stöckige Tiefgarage über den abgestellten Fuhrpark der Bewohner, der auf den ersten beiden Stockwerken unzählige Ferraris, Bentleys, Porsche und S-Klasse Mercedes umfasste. Umso weiter man nach unten fuhr, wurde es dann zwar etwas bescheidener, doch die Golf-Klasse war eine exotische Rarität. Auf ähnlichem Niveau bewegt sich heute Shanghai. In den Straßen sieht man – wie schon in Peking – kaum ein Auto, das älter als drei Jahre ist – ausgenommen Taxis. Doch hier sind die Karossen ausladender als in der Hauptstadt.

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Die Stadt frönt – zumindest auf den ersten Blick – dem puren Luxus. Hedonisten sind hier im Schlaraffenland. Jedes Luxuslabel hat hier mindestens einen Flagshipstore, der gefühlt 4mal so groß ist wie in New York, London oder Paris. Es wird zwar sicher noch Jahre dauern bis Shanghai auch kreative, Trend gebende Metropole und modischer Impulsgeber wird – zumindest solange der westliche Geschmack noch bestimmend ist – doch sicher beeinflussen schon heute die Shopper in Shanghai immens, welches Label und welche Kollektion, welche Marke und welches Produkt in den kommenden Jahren hip sein wird.

Über den eigenwilligen „Style“ der modischen Frau in Shanghai schreib und zeig ich etwas im nächsten Teil so wie über manch andere Eigenarten in China die mir aufgefallen sind.

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Wie man lesen konnte, habe ich meinen persönlichen Rückblick auf die vergangenen 14 Tage in China mit staunender Demut begonnen. Die gigantischen Herausforderungen, die dieses Land für mich auf den ersten und kurzen Eindruck hin mit Bravour meistert, hat mir einmal mehr gezeigt, in welches Dilemma wir hier in Westeuropa derzeit manövrieren: unser zunehmend saturierter, kleingeistiger Konservatismus, der dringend umzusetzende Projekte, gesellschaftliche Dynamik und technische Innovationen lähmt.

Wer solche von mir beschriebenen Eindrücke von China vorbehaltlos und ideologiefrei mitnimmt, ahnt, dass es auch in absehbarer Zeit keinen wirtschaftlichen Kollaps in China geben wird. Wer in China war oder dort lebt, sieht, dass es dort noch reichlich zu tun gibt und die Menschen danach gieren, es auch zu machen. Christian Y. Schmidt, den ich Anfangs als literarischen Reisebegleiter vorstellte, macht sich mit Recht über westliche Menetekel von irgendwelchen Wirtschaftsexperten lustig, die seit Jahren den asiatischen Infarkt prognostizieren. Dienen sie doch einzig als Augenwischerei und Selbstbeschwichtigung über die schwindende Agilität und Dynamik in unseren Luxusdemokratien. Es ist zu befürchten, dass wir irgendwann den Anschluss an die Moderne verlieren, wenn wir uns nicht an unsere langen Nasen fassen und uns fragen, wie wir zukünftig noch mit Leidenschaft, Tatkraft und mitreißender Begeisterung unsere Zukunft gestalten wollen.

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Chinareise Teil 2

Wer weiß schon alles zur WM 2014?

Für meinen Sohn gab es eine Fußball-Party. Um die Jungs (und ein Mädchen) schon mal auf das bevorstehende Ereignis WM 2014 einzustimmen und sie auf Ballhöhe mit ihren Eltern zu bringen, habe ich ein kleines Quiz mit ihnen gemacht. Kam gut an. Vielleicht hat ja der eine oder andere Papa (oder Mama) Lust, das auch mal im kleinen Kreis zu machen. Bitte schön.

Und wer richtig quizzen will, dem empfehle ich die App randuell mit tausenden Fragen zum Fussball. Anspruchsvoll hier:

Antwort 1: 32

Antwort 2: 7,32 m da ursprünglich englische Maße: 8 feet x 8 yards (2,44 x 7,32) 1:3

Antwort 3: 3 Mal, 1954, 1974 in Deutschland und 1994 in Italien.

Antwort 4: Drei

Antwort 5: 450 Gramm

Antwort 6: Paule, der Adler. Wirklich Adler ;-)

Antwort 7: 2,44 m da ursprünglich englische Maße: 8 feet x 8 yards (2,44 x 7,32) 1:3

Antwort 8: über 52,5 m (Die Maße Breite 68 m und Länge 105 m eines Fußballfeldes sind seit 2008 zwingend bei Länderspielen vorgeschrieben)

Antwort 9: Toni Kroos spielt in der Nationalmannschaft im Mittelfeld

Antwort 10: nach FIFA-Regel mindestens 1 Spiel gesperrt.

Antwort 11: 6 Elfer, da Elfmeterschießen (Best of 5) abgebrochen wird, sobald eine Mannschaft nicht mehr gewinnen kann. Dies wäre theoretisch der Fall, wenn die eine Mannschaft 3 Treffer hat und die andere Mannschaft auch beim dritten Mal nicht trifft.