Kultur ist nicht konsensfähig.

HöhlenBison

Reproduction of a bison of the cave of Altamira

Zur Blogparade hat Tanja Praske eingeladen mit dem Ausgangstitel „Kultur ist (für mich) …“. Das hat sie nun davon:

Nicht mal auf dem kleinsten Nenner würde man sich einig, wenn es um die Definition von Kultur ginge. Versuchen wir es doch nur mal mit der Abgrenzung „Was ist denn nicht Kultur?“ Und da stünde auf jeden Fall „Natur.“ Sofort wird es bei einigen gleich im Lid zucken und zu heftigem Widerspruch anregen. Ist aber so.

Die Natur kennt keine Kultur, ja Kultur ist ihr existenzbedrohender Erzfeind. Mit der Kultivierung der Natur begannen wir Menschen die Natur nach unserem Willen, unseren Präferenzen zu formen, zu beschneiden, zu selektieren, zu gestalten etc. und – das Wichtigste – zu beurteilen. Gut ist unserem Urteil nach alles in der Natur, womit wir was anfangen können, schlecht, was uns schaden könnte und dazwischen gibt es jede Menge unnützes Zeug, das erst gut wird, wenn ein Mensch mal wieder entdeckt, was man Gutes daraus machen kann, also wie man es kultivieren kann.

Wir kultivierten früh Pflanzen und lebende Tiere – zumindest die, die sich kultivieren ließen. Das aktuelle Ergebnis kennen wir und viele erachten es als barbarisch. Die Tiere, die sich lebend nicht kultivieren liessen, kultivierten wir dann halt erst nach ihrem Tod, z.B. Mammuts oder Löwen. Da wurden dann hübsche Figuren geschnitzt, tolle Waffen erfunden und schicke Klamotten draus gemacht. Da nun aber nicht jeder gleich geschickt bei der Verwertung war, trennten sich bald die Könner von den zahlenden Dilettanten. Der geschickte Jäger teilt seinen Büffel mit dem Kürschner und Elfenbeinschnitzer. Letztere waren wohl auch schon etwas betagter und konnten zum materiellen Grunderwerb des Clans nicht mehr genug beitragen. Da wollten sie sich dennoch nützlich machen und schauten, was man so alles aus den Materialien der Natur so machen könnte.

Bei dieser Handarbeit fingen dann sicher einige an melodisch zu summen und einige andere stimmten ein. Andere Talente fingen an sich Skizzen zu machen und wieder andere Notizen. Neugieriges Publikum und Zuhörer fand sich dann sicher schnell ein. Tja, so ging es dann die Jahrhunderte immer weiter. Entscheidend kam jetzt jedoch noch die Wertschätzung all dessen hinzu, was man so kultivierte. Und die war immer großen Schwankungen unterworfen. Man kam zu keinem Konsens.

Nehmen wir mal an, es hätte in jedem Clan nur einen Höhlenmaler gegeben. Was hat der wohl bekommen für seine Wandmalerei? War es nur dem Chef gestattet, Wände zu bekritzeln? Oder nur Frauen? Machte(n) die/der es in der Freizeit – gar lohnfrei wie Literaturblogger – oder war das der Hauptjob? Gab es dafür einen Hungerlohn oder den besten Platz am Feuer? Auch wenn wir das historisch nicht mehr erkunden können, können wir uns heute exakt in die Situation wieder hineinbegeben und werden erkennen: alles ist möglich. Je nach dem welche homogene, kultivierte Gesellschaftsgruppe (Intellektuelle, Vorstände, Banker, Gamer, Dschungel- oder Youtubestars, Köche, Lehrer, Autoren etc.) wir in die Höhle schicken, wird die Wertschätzung des Höhlenmalers unterschiedlich sein.

Und zuletzt spekuliere ich sogar noch, dass trotz der homogenen Gruppenauswahl in der Höhle die Wertschätzung des Höhlenmalers auch erheblich über die Zeit schwanken wird. Nach drei Monaten Höhlencamp wird der Höhlenmaler uns das sicher gerne bestätigen – mancher lamentierend, eine anderer tief erschüttert, ein dritter zynisch und ein vierter fatalistisch. Und ab und an wird vielleicht auch feierlich umjubelt ein „Markus Lüpertz“ auf der Sänfte rausgetragen. Die verschiedenen Gründe dazu kann sich sicher jeder selbst ausmalen. Kultur ist eben nicht konsensfähig.

Ach, und zum Thema der Hochkultur hatte ich hier schon mal ausführlich geschrieben.

3 Gedanken zu “Kultur ist nicht konsensfähig.

  1. Lieber Thomas,
    wunderbar!!! Danke für deine Teilnahme an #KultDef! Ich bin sehr froh, die Blogparade lanciert zu haben, tolle Blogs lernte ich darüber kennen, vor allen deinen. Ich werde sicherlich hier noch häufiger Stöbern!
    Auf Twitter unkte ich ja bereits über den Kulturbegriff, outete mich dort als Kulturbanause, um zu provozieren. Mir gefällt es, dass du kritische Töne anstimmst. Ja, die Konsensfähigkeit von Kultur ist umstritten. Den Streit darüber bekam ich in einer vergleichbaren Diskussion mit, in der es darum ging, ob die Kunstvermittlung die Kunst banalsiere. Hier kam auf, was denn überhaupt Kunst sei, wer das warum definiert und ob Kunst nicht einfach nur etwas Elitäres für Bildungsmenschen sei – schmarrn!

    Ich mag sehr gerne provozierende und zum Nachdenken anregende Beiträge zur Kunst und hier zu #KultDef.

    Merci beaucoup!
    Herzlich, Tanja

  2. Köstlich! Gefällt mir sehr! Als Höhlentier in den Mutterlanden des Cro Magnon hat mir vor allem das Nachdenken über die Bezahlung nach tagelanger Ockerreiberei gefallen, denn bisher dachte ich ja naiv, die HöhlenmalerInnen hätten womöglich ein besonders dickes Stück Mammut abbekommen. Aber nicht einmal das ist sicher, owei. Nur wird dir wahrscheinlich eins dieser früh kultivierten Naturwesen widersprechen, denn mein Hund Bilbo hat im Interview zur Blogparade eindeutig bewiesen, dass der Mensch nicht immer so kulturvoll ist, wie er tut ;-)

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